Zum Content springen
Neue Suche

Absender

Empfänger

Wien, 23. Juni 2023 (aiz.info)

Wettermärkte und Unsicherheit am Schwarzmeer befestigen Weizen und Mais

Druck aus Russland auf EU-Markt - Heimischer Kassamarkt bei Preisbildung in der Schwebe

Wettermärkte mit nach unten korrigierten Ernteprognosen in der EU, speziell in Deutschland, und auch in Russland, schlechte Bestandsbewertungen in den USA sowie anhaltende Unsicherheit bezüglich der Exportkorridore über das Schwarze Meer verliehen den internationalen Terminmärkten diese Woche vor allem für Weizen und Mais einigen Zündstoff. Unterbrochen wurde oder wird die teilweise rallyeartige Preisentwicklung zwischenzeitlich von Gewinnmitnahmen. Letztlich war auch aufgrund der Dürre zuletzt sogar in Russland, das sich bisher durch Preis-und Mengendruck auch für die Abschwächung der Preise in der EU mitverantwortlich zeichnete, von einer Befestigung der Exportpreise die Rede - dies neben den schlechteren Ernteaussichten offensichtlich auch wegen nunmehr herabgesetzter Exportabgaben. Der heimische Kassamarkt befindet sich hin- und hergerissen zwischen den jüngsten internationalen Entwicklungen und der Aussicht auf eine große Ernte mit niedrigeren Proteinerträgen beim Weizen bei der Preisbildung noch in der Schwebe.
 
Die Notierungen von Weizen - dieser mit einem Zweimonate-Hoch - und Mais an der Euronext in Paris setzten vom Freitag voriger Woche bis Donnerstag dieser Woche - vor allem mit einem Sprung am Mittwoch - ihre Befestigung weiter fort. Der Schlusskurs des für die neue Ernte stehenden September-Weizenkontrakts stieg von 238,75 Euro/t auf 251,00 Euro/t. Der Kontrakt auf Mais zur Lieferung im August schaffte es im Wochenabstand von 237,25 Euro/t auf 247,75 Euro/t. Raps mit Fälligkeit August - also aus Ernte 2023 - hingegen verfiel von 473,50 Euro/t auf 443,25 Euro/t. In den Freitaghandel starteten alle drei Pariser Agrarkontrakte - und wiederum insbesondere der Raps - mit negativen Vorzeichen.
 
DRV senkt wegen Trockenheit Ernteprognose für Deutschland deutlich
 
Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) senkte am Mittwoch seine Erwartungen an die Deutsche Getreideernte einschließlich Mais wegen anhaltender Trockenheit gegenüber der Vormonatsprognose um 1,23 Mio. t auf 42,00 Mio. t und die für die Rapsernte um 133.000 t auf 4,15 Mio. t. Das sind 1,45 Mio. t oder 3,3% weniger Getreide und 132.000 t oder 3,1% weniger Raps als im Vorjahr. Die Schätzung der Weizenernte kürzt der DRV gegenüber Mai um 445.000 t auf 21,87 Mio. t und die von Mais um 211.000 t auf 3,74 Mio. t. Das sind um 649.000 t oder 2,9% weniger Weizen als aus der Ernte 2022 und um 96.000 t oder 2,5% weniger Mais. Seien Äcker Mitte Mai teilweise wegen starken Regenfällen nur eingeschränkt befahrbar gewesen, litten die Kulturen mittlerweile deutschlandweit unter massivem Trockenstress. Besonders betroffen sei Ostdeutschland. Um auf tiefen Böden weitere Ertragsverluste zu verhindern, müsse weiterhin flächendeckend Regen fallen. Auf sandigen Böden könnten Verluste nicht mehr kompensiert werden. Früh räumende Kulturen wie Wintergerste seien weniger betroffen, für spätere wie Weizen müsse mit weiteren Ertragsrückgängen gerechnet werden, wenn in den kommenden Tagen kein Regen falle, hieß es. Dies gelte auch für Sommerungen wie Mais.
 
Dabei verwies der DRV darauf, dass auch die Nachbarschaft - Polen, das Baltikum und Skandinavien - unter Trockenheit leide und die Situation in Spanien mit einer historisch kleinen Ernte von etwa 11,0 Mio. t Getreide besonders prekär sei. Die Ertragsausfälle im Ostseeraum und auf der iberischen Halbinsel könnten nach aktuellem Stand aber durch größere Erntemengen in Süd-Ost-Europa kompensiert werden. Weltweit werde eine ausreichende Versorgung erwartet. Zu den Exportmöglichkeiten der Ukraine entwarnt der DRV, selbst wenn der Getreidedeal für die Schwarzmeerrouten nicht verlängert werde, "können die prognostizierten Exportmengen per Lkw, Bahn und Binnenschiff vollständig auf den Weltmarkt gelangen".
 
Gezerre um Weiterbestand des Schwarzmeer-Getreidedeals - Polen interveniert Getreide
 
Zuletzt mehrten sich wiederholte Drohungen aus Russland, dass der Getreidedeal für die Schwarzmeerexporte nicht über Mitte Juli hinaus verlängert werden könnte. Russland verschleppt seit Mai ohnehin schon die Inspektionen ukrainischer Getreideschiffe, wodurch die ukrainischen Exporte ins Stocken geraten. Es will damit vordergründig offensichtlich eine Lockerung vermeintlicher Sanktionen gegen seine Agrar- und Düngerexporte erzwingen. Im Hintergrund dürfte auch die Absicht dahinterstecken, einen unliebsamen Wettbewerber am Getreideweltmarkt auszuschalten. UN-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich diese Woche "enttäuscht" von der Umsetzung des von UNO und Türkei vermittelten Getreideabkommens zwischen Russland und der Ukraine. Schiffe würden langsamer inspiziert, sodass weniger Schiffe ukrainische Häfen erreichten und verließen und deshalb weniger Getreide bei den Empfängern ankomme. Die Exporte im Rahmen des Getreidedeals seien im Mai im Vergleich zum Oktober um rund drei Viertel gesunken. Guterres rief alle Beteiligten dazu auf, die Exportabfertigung umgehend zu beschleunigen, um die globale Versorgungssicherheit zu wahren.
 
Die polnische Regierung soll dem Vernehmen nach in einer Interventionskampagne 60% der bei Landwirten vermeintlich aufgrund der im Land hängengebliebenen Ukraine-Lieferungen angehäuften Überlager aufgekauft haben. Ziel sei, Platz für die Einlagerung der neuen Ernte zu schaffen. Wohin die Regierung in Warschau diese Mengen bringen will, bleibe ebenso wie die Aufkaufspreise unklar, denn es scheint unwahrscheinlich, dass der polnische Staat über bisher unbekannte, noch nicht genutzte Silokapazitäten verfügt oder diese über Nacht aus dem Boden stampfen könne. In Rumänien verzögerten Behörden den Umschlag ukrainischen Getreides auf Hochseeschiffe durch Prüfungen, ob dieses nicht in den fünf mit einem Importverbot geschützten EU-Frontstaaten landen könne. Zudem bleibe nach einem Ministerwechsel der künftige Regierungskurs Rumäniens unklar und es habe im Land auch die Ernte eingesetzt.
 
Russland drückt bei Getreideexport weiterhin aufs Tempo
 
Indes spricht die russische Agrarberatung Sovecon von einem weiterhin hohen Tempo russischer Getreideausfuhren. Sie könnten im Juni mit 2,8 bis 3,2 Mio. t das Dreifache des Juni 2022 erreichen. Gleichzeitig trug Sovecon am Mittwoch mit einer neuen Ernteschätzung für Russland zur Bullenstimmung an den internationalen Terminbörsen bei: Aufgrund von Hitze und Trockenheit senke sie die Prognose für die Weizenernte um 1,2 Mio. t auf 86,8 Mio. t. Branchenkreisen zufolge habe Algerien zu Wochenbeginn aus Russland mehr als 600.000 t Weizen zur Lieferung im August gekauft, wofür fob-Preise (free on board) von durchschnittlich 230 USD/t (209,38 Euro) kolportiert wurden - also doch keine Spur von den in der Vorwoche vermeintlich als "freiwillig" vom Moskauer Agrarressort "empfohlenen" 240 US-Dollar-Mindestpreis.
 
Preispolitik Russlands und Eroberung von EU-Marktanteilen drückt auf Preis in Union
 
Algerien war in der Vergangenheit der Top-Weizenkunde der EU und wendete sich im laufenden Wirtschaftsjahr 2022/23 zum einen wegen politischer Verwerfungen mit seinem wichtigsten Lieferanten Frankreich und zum anderen wegen der dortigen Billigangebote Russland zu. In den jeweils ersten 51 Kalenderwochen des Wirtschaftsjahres 2021/21 kaufte Algerien 4,90 Mio. t Weichweizen aus der Union, was 18,0% Anteil am EU-Export entsprach, so die jüngsten von der EU-Kommission verfügbaren Außenhandelsdaten. Im bald auslaufenden Wirtschaftsjahr 2022/23 sank die Menge auf 4,10 Mio. t Weichweizen und der Anteil an den Ausfuhren auf 13,4%, Algerien wird dabei 2022/23 von Marokko als Top-Kunde für EU-Weizen (4,68 Mio. t, +2,76 Mio. t zu 2021/22, 15,4% des EU-Weichweizenexports) überholt.
 
Dabei legte laut Kommission der gesamte Weizenexport der EU in den 51 zur Verfügung stehenden Berichtswochen des Wirtschaftsjahres 2022/23 zum Vorjahres-Vergleichszeitraum um 9% oder 2,74 Mio. t auf 31,70 Mio. t zu, obwohl die zur Verfügung stehende Ernte der EU im Jahresvergleich um 4,21 Mio. t oder gut 3% zurückgefallen ist. Gleichzeitig nahmen die Weizeneinfuhren der EU in der auslaufenden Saison um 5,07 Mio. t auf 5,43 Mio. t zu, womit die Ukraine ihren Anteil an den Einfuhren von Weizen im Jahresabstand von 14,2% auf 62,2% und sich vom zuvor vierten auf den ersten Platz der Importdestinationen katapultierte. Wie die Exportzahlen der EU im Vergleich zu ihrer Produktion zeigen, dürften aber beträchtliche Teile dieses ukrainischen Weizens über die Solidaritätskorridore der EU auch wieder in andere Drittländer weitergelangt sein. Ähnlich ergeht es der EU beim bislang größten Weizenimporteur der Welt, Ägypten, wo ihr russische Exporteur ebenfalls beträchtliche Marktanteile abknöpfen. Die Weizenlieferungen aus der Union ins Land am Nil sanken im bisherigen Saisonverlauf 2022/23 im Jahresvergleich von 2,73 Mio. t auf 1,68 Mio. t, ihr Anteil an den EU-Weizenausfuhren halbierte sich fast von 10,0 auf 5,5%. Somit trägt auch die aggressive russische Exportpolitik mit Schleuderpreisen für Weizen maßgeblich zum Preisdruck in der EU bei: Zum einen, indem sie die Exportpreise drückt, und zum anderen, indem sie die Exportkonjunktur der Union bremst. Beides schlägt sich in den maßgeblich vom Exportgeschäft der EU bestimmten Weizennotierungen an der Euronext in Paris nieder, mit denen sich über Hedging wiederum Kassamarktpreise innerhalb der EU ableiten und sichern lassen.
 
Schlechte Bestandsbewertungen in den USA senden bullishe Signale
 
Bullishe Signale setzten auch die wöchentlichen Bestandsbewertungen des US-Landwirtschaftsministeriums USDA. Es beurteilte mit 51% um 9% weniger Sommerweizenbestände als "good" oder "excellent" als in der Vorwoche. Unverändert 38% des Winterweizens kommen auf die beiden Bestnoten, allerdings bremst Regen in den südlichen Anbaugebieten die bereits angelaufene Ernte. Die Bonitierung der Maiskulturen in den beiden Top-Bewertungskategorien fiel im Wochenabstand um 6% auf 55%, so tief wie seit 35 Jahren nicht mehr. Zudem dürften viele Farmer wegen der Dürre geplante Maisflächen gar nicht bestellt und brachliegen gelassen haben. An den US-Börsen zog insbesondere der Mais die Notierungen nach oben.
 
Zwar wertet das USDA auch nur mehr 54% der Sojabestände als "good" oder "excellent" und damit um 5% weniger als vor Wochenfrist und im schlechtesten Zustand seit 2018, doch gingen die Märkte nach einem ersten Preissprung in der Folge davon aus, die Sojakulturen könnten sich noch erholen. Zusammen mit sehr guten Aussichten für Canola-Raps in Kanada und Rezessionsängsten in der Allgemeinwirtschaft, korrigierten die Terminmärkte für Sojabohnen an der CBoT in Chicago und Raps an der Euronext nach einer Rallye zum Teil wieder deutlich nach unten.
 
Heimischer Kassamarkt bei Preisbildung in der Schwebe
 
Kurz vor der neuen Ernte sei am österreichischen Kassamarkt alles in der Schwebe, heißt es von Marktteilnehmern. Zum einen erwarte Österreich eine große Ernte mit weniger Protein beim Brotweizen. Zum anderen verschlechtern sich in Europa und den USA die Aussichten für die Ernte. Damit hätten sich die internationalen Märkte zuletzt stabilisiert. Dennoch, so heißt es, kämen hierzulande Futterweizen und Gerste neuer Ernte zu niedrigen Preisen auf den Markt, aber es wolle niemand in größerem Umfang einkaufen. Bei höheren Qualitäten neuer Ernte wiederum bestehe keine Abgabebereitschaft, da diese wegen der geringeren Verfügbarkeit noch sehr gefragt werden könnten.
 
Somit, so war rund um die dieswöchige Notierungssitzung der Wiener Produktenbörse die Rede, seien weiterhin nur kleine Mengen an Brotgetreide gehandelt worden. Die Ausschläge der in Kürze auslaufenden Notierungen für Brotgetreide alter Ernte - Premiumweizen verlor, Qualitäts- und Mahlweizen zogen an - seien kaum repräsentativ für den Markt.
 
Futtergetreide finde wegen der verringerten Nachfrage nach Futtermitteln wenig Nachfrage bei den Verarbeitern, Maispreise hätten trotz der unveränderten Notierungen dem Vernehmen aber im internationalen Kontext anzuziehen begonnen.
 
Keine Notierungen kamen neuerlich für Eiweißschrote zustande. Auch Quotierungen für Ölsaaten der Verarbeiter würden für nahe Liefertermine mit fortschreitender Deckung immer rarer, wobei die allgemein steigenden Preise nur an den Geboten für spätere Termine ablesbar seien. (Schluss) pos
12.366 Anschläge
  • Empfehlen
  • Drucken
  • PDF downloaden
  • RTF downloaden