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Wien, 12. Mai 2023 (aiz.info)

Getreidemärkte wurden nach nur kurzer Stabilisierung wieder schwächer

Türkei spricht von Durchbruch bei Getreidedeal - Wettermärkte und Exporte bestimmend

Wiederum nur kurz währte zum Ende der vorigen und Beginn dieser Woche eine Stabilisierung der internationalen Weizenterminmärkte. Vor dem erst am Freitagabend veröffentlichten Monatsbericht (WASDE) des US-Landwirtschaftsministeriums mit der von den Märkten als wichtige Orientierungshilfe erwarteten ersten Schätzung der globalen Versorgungsbilanzen 2023/24 gaben Weizen, Mais und Ölsaaten neuerlich nach. Schon ehe der türkische Verteidigungsminister am Freitag von einem bevorstehenden Durchbruch bei den für Donnerstag und Freitag in Istanbul angesetzten Gesprächen zwischen UNO, Türkei, Russland und der Ukraine zur Verlängerung des Getreidedeals sprach, verliehen wiederholte Drohungen Russlands, diese platzen zu lassen, den Kursen keine Impulse. Mit Ausnahme Ungarns hätten laut Branchenkreisen mittlerweile andere östliche EU-Mitgliedstaaten wie Polen praktikable Lösungen für die temporären Einfuhrbeschränkungen ukrainischer Agrargüter beziehungsweise für deren Transit umgesetzt.
 
Von Freitag voriger Woche bis Donnerstag dieser Woche verlor der Schlusskurs des nunmehr für die neue Ernte stehenden Frontkontrakts September an der Euronext von 244,00 Euro/t auf 232,00 Euro/t. Mais zur Lieferung im Juni gab im Wochenabstand von 230,75 Euro/t auf 227,00 Euro/t nach und Raps mit Fälligkeit August - also aus Ernte 2023 - gar von 448,50 auf 425,00 Euro/t. Kurz vor dem WASDE-Bericht löste Schnäppchenjagd nach dem Kursverfall an der CBoT in Chicago eine Gegenbewegung bei den Soja-Futures aus, wie auch anhaltendes Schlechtwetter im Mittelwesten und in den nördliche Plains der USA die Kurse von Hard Red Winter-Weizen in Kansas und von Hard Red Spring in Minneapolis befeuerten.
 
Wettermärkte und Exportkonjunktur beeinflussen die Preise
 
Zu nasse Felder verzögern die Aussaat der mit den hierzulande wachsenden Premiumweizen konkurrierenden Sommerweizen in den nördliche Plains, während im östlichen Weizengürtel für die im Mahlweizensegment angesiedelten Winterweizen gedeihliche Aufwuchsbedingungen herrschen. Schwach bleibt hingegen die Exportnachfrage nach US-amerikanischem Weizen und Soja. Mit Spannung wird weiters verfolgt, wie das sich offensichtlich heranbildende Wetterphänomen El Nino mit Trockenheit und Hitze die Ernten in süd- und Südostasien sowie Australien betreffen wird.
 
In Österreich lassen die Niederschläge die Wintersaaten gedeihen und nach aktuellem Stand üppige Erträge erwarten. Starke Erträge und ein wegen der hohen Preise sparsamerer Düngemitteleinsatz lassen bei Weizen hierzulande Proteinerträge - das heißt einen größeren Mahlweizen- und kleineren Qualitäts- und Premiumweizenanteil - erwarten. Vor diesem Hintergrund könnten Lagerhalter die Überlagerung von Aufmischweizen aus der Ernte 2022 ins kommende Wirtschaftsjahr - abgesehen von der Verknappung des Siloraums - etwas entspannter sehen, quasi als Anlage von Qualitätsreserven.
Russland legt die Latte bei den Weizen-Weltmarktpreisen noch tiefer
 
Die Latte für die Weizenpreise am Weltmarkt nach unten legt weiterhin Russland. Nach einer Phase der Zurückhaltung sollen russische Exporteure die Preise neuerlich gesenkt haben, um das Tempo beim Abbau der riesigen Lagerbestände in Richtung Weltmarkt angesichts einer weiteren guten Ernte wieder zu forcieren. Laut der Beratung IKAR sei Anfang dieser Woche Weizen mit 12,5% Protein im Hafen von Noworossijsk mit fob rund 254 USD/t (232,39 Euro) um etwa 11 USD/t (10,06 Euro) billiger als vor einer Woche gehandelt worden. Russische Anbieter sollen auch große Teile eines algerischen Zuschlags für gut 600.000 t Weizenlieferung erobert haben, wofür Preise c&f (cost and freight) von rund 275 USD/t (251,60 Euro) kolportiert werden.
 
USDA-Bericht: Russlands Export legt zu - Kampf um Verdrängung der Ukraine vom Markt
 
Ein am Donnerstag verbreiteter Bericht des Foreign Agricultural Service (FAS) des US-Landwirtschaftsministeriums USDA spricht von stark wachsenden Ausfuhren aus Russland von Getreide und Ölsaaten im laufenden Wirtschaftsjahr - auch im Hinblick darauf, dass Russland im Poker um die Verlängerung der Exportkorridore über das Schwarze Meer auch immer wieder Behinderungen seiner Ausfuhren beklagt.
 
Eine Rekordernte und niedrige Preise würden etwa einen Rekord-Weizenexport von 45 Mio. t ermöglichen, obwohl die russische Regierung die eigenen Exporte - nicht nur von Weizen - mit Exportsteuern und Quoten einschränke. Die Produzenten hätten durch die Exportabgaben niedrigere Erlöse, was wiederum den Anreiz für den Anbau verringern könnte. Russisches Getreide gehe vor allem in den Mittleren Osten und nach Afrika, Hauptabnehmer von Weizen seien die Türkei - diese reexportiert diesen in Form von Mehl in den Nahen Osten - sowie Ägypten, Iran, Saudi Arabien, der Sudan, Algerien und auch Kasachstan, hier ebenfalls für den Reexport nach Asien. Russland konkurriere mit den Schwarzmeer-Anrainern Ukraine und Rumänien. Die Exportpreise der Ukraine seien auf Basis fob (free on board) zwar noch niedriger als die russischen, aufgrund des Kriegsrisikos höhere Kosten für Versicherung und Transport der ukrainischen Verschiffungen verschafften allerdings Russland bei den letztendlich ausschlaggebenden cif-Preisen (cost, insurance and freight) einen Wettbewerbsvorteil, so das FAS.
 
Dies dürfte auch der Grund sein, warum Russland auch immer wieder den sicheren Exportkorridor für die Ukraine über das Schwarze Meer in Frage stellt beziehungsweise die Inspektion und Abfertigung von Schiffen mit Getreide aus der Ukraine boykottiert oder verzögert. Offensichtlich soll damit als Ziel einer wirtschaftlichen Kriegsführung die Ukraine aus dem Markt gedrängt werden. Dass diese Taktik auf den internationalen Märkten noch nicht wirklich aufging, liege laut Branchenteilnehmern auch daran, dass viele Investoren an den Terminbörsen daran glauben, dass der Schwarzmeer-Export auch ohne den Getreidedeal funktionieren würde. Denn keine der Kriegsparteien könne daran Interesse haben, ein gegenseitiges Versenken von Handelsschiffen vom Zaun zu brechen, sich damit ihre Märkte zu zerstören und damit die eigene wirtschaftliche Lebensader abzuschneiden.
 
Rumänien trägt Großteil zum Getreidetransit über EU-Solidaritätskorridore bei
 
Mit zu einer pulsierenden Lebensader für die Exporte der Ukraine habe, so auch das FAS, die EU mit den Solidaritätskorridoren durch ihr Gebiet und mit dem rumänischen Schwarzmeerhafen Constanza beigetragen. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski betonte dieser Tage im Europaparlament, ein Großteil der ukrainischen Getreide- und Ölsaatenlieferungen in und über die EU erfolge am Landweg. Auch er betonte, Moskaus Ziel sei es, die Ukraine vollständig vom Markt zu verdrängen und ihre Marktanteile zu übernehmen. Der Kommissar dankte insbesondere Rumänien. Dorthin seien im Zuge der Solidaritätskorridore aus der Ukraine bisher 9 Mio. t Getreide gelangt und 6,5 Mio. t im Transit weiterverfrachtet worden. Polen erreichten über den Solidaritätskorridor 4,1 Mio. t Getreide, wovon jedoch nur 700.000 t das Land wieder verlassen hätten. Offenbleibt, ob sich Wojciechowski mit diesen Zahlen nur auf Außenhandelsdaten der EU bezieht. Diese würden nämlich bekanntlich Verbringungen innerhalb des Binnenmarktes in andere Mitgliedstaaten nicht erfassen, sondern nur den Transit für Drittlandexporte. Als Kompensation, betonte der Kommissar, hätten Polens Landwirte mehr als 1,5 Mrd. Euro aus nationalen und EU-Mitteln zugesagt bekommen.
 
Mit Ausnahme Ungarns verbessert sich die Umsetzung der EU-Importbeschränkung
 
Wie es heißt, hätten die polnischen Behörden nunmehr eine praktikable Abwicklung der Schiffsverladungen von über Land an die Häfen geliefertem ukrainischem Getreide ermöglicht. Ungarn hingegen blockiere weiterhin entgegen den EU-Bestimmungen alle - auch vor dem 2. Mai kontrahierte - Importe aus der Ukraine. Ungarische Maisverarbeiter litten wegen der schlechten, durch Mykotoxine beeinträchtigten Qualität und der kleinen Menge der Ernte des Landes unter Versorgungsengpässen und hätten sich sogar schon in Österreich um Mais umgesehen. Zu Qualitätsproblemen ukrainischen Getreides und Mais, wie sie etwa die Slowakei geltend machte, verlautet aus Handelskreisen, dies sei in Einzelfällen bei Lieferungen per LKW oder Eisenbahn möglich. Entgegen den Kontrollen beim Schiffstransport, der etwa bei den Großabnehmern in Italien oder Spanien zu keinerlei Beanstandungen geführt habe, könnten bei den schwieriger lückenlos zu monitierenden LKW- oder Wagonverladungen gerade gegen Ende einer Vermarktungssaison schon einmal schlechtere Qualitäten untergemischt werden. Zumal, so heißt es, hätten ukrainische Landwirte wegen der Kriegshandlungen nicht allen Mais im Herbst einbringen können, etlicher Mais hätte am Stamm auf den Feldern überwintern müssen, was der Qualität abträglich sei.
 
Auch nur kurzzeitige zaghafte Belebung am österreichischen Kassamarkt
 
Die kurz währende Stabilisierung der internationalen Weizenterminmärkte zog eine ebensolche, zaghafte Belebung der Einkaufstätigkeit am Kassamarkt von Brotgetreide in Österreich nach sich. Somit kam am Mittwoch dieser Woche in Wien eine Notierung von Premiumweizen zustande, an der vor allem die Breite des Preisbandes von 30 Euro/t - zwischen 260 und 290 Euro/t - auffalle. Dem Vernehmen nach liege das an unterschiedlichen Qualitäten der gehandelten Partien, wobei es heißt, das Gros der Handelstätigkeit habe sich aber am unteren Rand abgespielt. Im Schnitt verlor der Premiumweizen 16 Euro/t oder 5,5% gegenüber der Letztnotierung Mitte April.
 
Die zaghafte Belebung beschrieb ein Brancheninsider bildhaft damit, dass jener Teil der Verarbeiter, der im Rohstoffeinkauf von der Hand in den Mund lebe, den Bedarf anstatt für eine Woche vorübergehend für vierzehn Tage gedeckt habe. Dabei sei es schwierig, für die kurzfristige Erfüllung von Kontrakten Transportkapazitäten aufzutreiben.
 
Keine Belebung erfuhr die Nachfrage inländischer Maisverarbeiter, einige hätten wegen ausbleibender Nachfrage ihre Kapazitäten für einige Zeit stillgelegt. Interessant sei auch in der zweiten Hälfte der vorigen Handelswoche das Aussetzen von Quotierungen von Raps durch Verarbeiter in Straubing und Olomouc für die ex-Ernte-Termine Juni bis August gewesen. Dies könnte ein Hinweis auf eine bereits fortgeschrittene Deckung sein. (Schluss) pos
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