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Wien, 22. September 2023 (aiz.info)

Weizenpreis-Dumping trifft EU- und US-Export sowie Solidarität mit Ukraine

Euronext-Notierungen in der abgelaufenen Woche weiter gefallen - starker Jahresverlust

Die Schleuderei Russlands mit seinen Weizenpreisen bremst die Konkurrenzfähigkeit von Anbietern aus der EU sowie den USA auf dem Weltmarkt und lässt deren Exporte nur stotternd laufen. Dies wiederum drückt die Notierungen an den Terminmärkten und die Getreidepreise an den Kassamärkten. Dazu lässt die jeweilige Steigerung oder Abschwächung des Eskalationsgrades der russischen Aggression gegen die Ukraine die Kurse wild rauf- und runter schwanken. EU-intern schwelt der Streit um nationale Alleingänge einzelner Ukraine-Nachbarn, den sogenannten Frontline-Staaten, wie Polen, Ungarn oder der Slowakei mit Importbeschränkungen gegen die Ukraine. Zunehmend sehen Analysten und Markteilnehmer in all dem die Folgen einer bewussten Strategie Russlands. 
 
Demnach liefen Russlands Absichten darauf hinaus, über Preisdumping den Mitbewerb aus dem Markt zu drängen. Dies sorge bei Betroffenen wie EU und USA zu Rückstau von Ware, Marktdruck und Verfall von Erzeugerpreisen und letztlich für entsprechende wirtschaftliche Probleme der Branchen und Unzufriedenheit. Bei der wirtschaftlich stark von ihrem Agrarexport abhängigen Ukraine als Betroffener sorge dies dafür, dass Getreide, das nicht über die wirtschaftlich sinnvolle Schwarzmeer-Route auf den Weltmarkt gelangen könne, über die Solidaritätskorridore der EU auf den Weltmarkt gebracht werden müsse oder wegen der damit verbundenen deutlich höheren Transportkosten oder aus Mangel an Frachtkapazitäten gleich in den benachbarten EU-Regionen - den Frontline-Staaten - strande. Dies wiederum mache diese Regionen und die gesamte EU zur Betroffenen, sei es, weil tatsächlich Marktverwerfungen entstünden, Zwietracht gesät, Streit entfacht und die Front der Unterstützer der Ukraine gespalten werde.
 
Weizenexporte der EU und der USA stottern - Ausfuhren Russlands prosperieren
 
Laut Zahlen der EU-Kommission für die ersten 12 Wochen des Wirtschaftsjahres 2023/24 (1. Juli bis 19. September) führte die Union mit 6,32 Mio. t um 27% weniger Weichweizen in Drittländer aus als im Vergleichszeitraum des Jahres davor. Die Ausfuhren der EU der Woche 12 in Höhe von 190.591 t Weichweizen liegen um 72% unter den 682.550 t der Woche 12 im Wirtschaftsjahr 2022/23. Ähnlich ergeht es den Exporteuren in den USA: Die jüngsten Daten des US-Agrarressorts USDA weisen für die Woche bis 14. September Nettoverkäufe von Weizen auf den Weltmarkt von 307.700 t aus - das sind um 30% weniger als die Woche davor und um 20% weniger als der Schnitt der vorangegangenen vier Wochen. Auch die Ausfuhren von Mais von Sojabohnen aus den USA verlaufen nur äußerst verhalten und drücken auf die Stimmung der Börsen.
 
Westeuropäer und US-Amerikaner sind zurzeit mit ihrem Weizen am Weltmarkt gegenüber Russland zu teuer, um einen Stich machen zu können. Am ehesten kann in der EU noch Rumänien preislich mithalten, wie Einkäufe von Niedrigpreisen angelockter Schnäppchenjäger wie Ägyptens, Algeriens und auch Chinas zeigten. Das große Geschäft trotz der Klage über Behinderungen seiner Exporte durch westliche Sanktionen macht jedoch Russland, dessen Weizenexportprognose 2023/24 der Internationale Getreiderat IGC am Donnerstag erst wieder um 2 Mio. t auf rekordverdächtige 48,6 Mio. t hinaufrevidierte. Zum Vergleich: Den Weizenexport der EU setzt der IGC im aktuellen Grain Market Report mit 36,2 Mio. t an und den der USA mit 19,1 Mio. t, den Kanadas setzte er um 1,5 Mio. t auf 22,7 Mio. t und den Australiens um 2,0 Mio. t auf 19,0 Mio. t herab. Die Ukraine soll hingegen vergleichsweise bescheidene 12,0 Mio. t Weizen ausführen können, nachdem es aus der letzten guten Ernte vor dem Krieg im Wirtschaftsjahr 2019/20 etwa noch mehr als 21 Mio. t gewesen waren. Jüngst hieß es aus Handelskreisen, die Angriffe Russlands auf die ukrainische Exportinfrastruktur hätten die Weizenausfuhren aus der Ukraine in der ersten Septemberhälfte gegenüber dem Vorjahr von 1,5 Mio. t auf 0,78 Mio. t praktisch halbiert.
 
Euronext-Notierungen in der abgelaufenen Woche weiter gefallen - starker Jahresverlust
 
An der Euronext in Paris verloren die Schlusskurse aller drei Agrarderivate von vergangenem Freitag bis Donnerstag dieser Woche noch weiter an Terrain - auch nachdem wiederum einmal ein Hochseeschiff einen ukrainischen Schwarzmeerhafen angelaufen hat, dort - wenn auch nur wenige Tausend Tonnen Getreide - geladen und damit Kurs auf das Mittelmeer genommen hat. Mahlweizen zur Lieferung im Dezember gab in Paris im Wochenabstand von 243,50 Euro auf 236,25 Euro/t nach, der November-Maiskontrakt von 213,00 Euro auf 208,25 Euro/t und jener von Raps von 444,75 Euro auf 439,50 Euro/t.
 
Exakt ein Jahr zuvor - am 21., September 2022 - schloss Weizen in Paris bei 347,00 Euro/t, Mais bei 338,00 Euro/t und Raps bei 580,00 Euro/t. Die Verluste übers Jahr betragen damit für Weizen 32%, für Mais 38% und Raps 24%.
 
EU-Außenhandelsstatistik zeigt regen Export aus Frontline-Staaten
 
Interessant an den Außenhandelszahlen der Kommission: Rumänien führt die Weizenexportstatistik der EU mit 2023/24 bislang 1,63 Mio. t an, gefolgt von Polen mit 1,25 Mio. t. Über beide Länder laufen neben der eigenen starken Exportaktivität auch viele Exporte der Ukraine in Richtung Weltmarkt. Dritter "Weizenexport-Millionär" ist das in der Vergangenheit zumeist führend gewesene Frankreich mit 1,22 Mio. t. Abgeschlagen hält Deutschland bei derzeit 581.697 t Weichweizenexport in Drittländer.
 
Importe: Keine Einfuhr in Frontline-Staaten gemeldet - Übliche Zuschussländer kaufen ein
 
Die Weichweizeneinfuhren in die Union nahmen im laufenden Wirtschaftsjahr mit 1,59 Mio. t um 75% zu. Während die Frontline-Staaten Polen, Ungarn Slowakei und Bulgarien in diesen 12 Wochen seit Anfang Juli keinerlei Weichweizeneinfuhren aus Drittländern gemeldet haben, gab Rumänien bisher 102.563 t an. Den meisten Weichweizen, nämlich 827.050 t, führte der Statistik zufolge bisher Spanien ein, gefolgt vom traditionellen Importeur Italien mit 195.158 t. Danach kommt Griechenland, das bei der Flutkatastrophe vor Kurzem große Mengen Getreide verlor, mit 191.942 t. So scheiterten aktuell Weizenlieferungen aus Österreich nach Griechenland daran, dass dafür keine Transportkapazitäten aufgetrieben werden konnten. 
 
Von den 1,589.291 t Weichweizenimport in die Union kamen knapp 63% oder 999.909 t aus der Ukraine, nachdem aus dieser Herkunft im Vergleichszeitraum 2022/23 mit 342.369 t an die 38% der Weichweizeneinfuhren getätigt worden waren. Damals war im Zuge des Getreidedeals für die Ukraine der direkte Seeweg auf den Weltmarkt über den Schwarzmeer-Korridor noch offen. Weitere aktuelle Lieferanten wie Kanada, Moldawien, Vereinigtes Königreich oder Serbien bringen es auf jeweils nur einstellige Prozentanteile.
 
Konflikte zwischen Frontline-Staaten und Ukraine sowie in EU - möglicher Kompromiss
 
Jedenfalls fühlen sich aus dem Kreis der Frontline-Staaten Polen, Ungarn und die Slowakei so weit von ukrainischem Getreide überschwemmt und ihre Märkte dadurch verworfen, dass sie nach dem Auslaufen der EU-weiten Schutzmaßnahmen für diesen Staatenkreis, dem weiters noch Bulgarien und Rumänien angehören, nach dem 15. September entgegen Unionsrecht unilaterale Importbeschränkungen verhängt haben. Aus Bulgarien, das ursprünglich seine Grenzen für die Ukraine offenhalten wollte, hieß es nach Bauernprotesten in der Folge, man werde Lieferungen von Sonnenblumenkernen aus der Ukraine blockieren. In Branchenkreisen zieht man diesen Schritt in Zweifel, es könne womöglich nur um Verarbeitungsprodukte wie Sonnenblumenöl gehen oder um Quoten für Sonnenblumenkerne. Die Landwirteproteste in Bulgarien sollen sich aber auch gegen andere Produkte aus der Ukraine wie Getreide und Mais richten.
 
Jedenfalls kam es diese Woche zu veritablen politischen und verbalen Konflikten zwischen den Frontline-Staaten und der Ukraine sowie zur Androhung von WTO-Klagen der Ukraine gegen die drei Staaten mit unilateralen Importsperren. Innerhalb der EU-Kommission und im Kreis der Mitgliedstaaten schwelt der Konflikt, wie mit dem Verstoß der drei EU-Länder gegen das Unionsrecht umgegangen werden solle. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten verurteilt die Vorgangsweise. Der polnische EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski versucht zu beschwichtigenspricht sich im Vorfeld von Parlamentswahlen in seinem Heimatland gegen Sanktionen der EU über die drei Staaten aus und verurteilt allfällige Klagen der Ukraine vor der Welthandelsorganisation. Die für den Handel zuständige Generaldirektion prüfe erst einmal, heißt es von dort. Gegen Ende der Woche tauchten Gerüchte auf, zwischen der Ukraine und den Frontline-Staaten könnte sich ein Kompromiss abzeichnen, indem die Ukraine entsprechende Garantien für den Transit ihres Getreides durch diese Länder abgebe.
 
Abwarten bei späteren Terminen am österreichischen Kassamarkt
 
Die erste Deckung der Mühlen mit Brotgetreide ist abgeschlossen und um die zuletzt diskutierten späteren Liefertermine ist es ruhig geworden, da sich die Verarbeiter wiederum in Abwartestellung begeben hätten. Ein bremsendes Moment bleibt die Transportlogistik und deren Verteuerung mit zuletzt deutlich gestiegenen Dieselpreisen. Zudem stünden empfindliche Erhöhungen der Straßenbenützungskosten - in Gestalt der Erhöhung von CO2-Abgaben hierzulande oder der Maut in Deutschland - ins Haus.
 
Dennoch brachte die dieswöchige Notierungssitzung an der Wiener Produktenbörse am Mittwoch dieser Woche eine Befestigung der Notierungen von Qualitätsweizen, Mahlroggen und der neuen "gehobenen" Mahlweizenkategorie mit 13,0% Protein. Der normale Mahlweizen verschwand hingegen mangels frischer Umsätze vom Kursblatt.
 
Nassmaiskampagne in voller Fahrt - Geschäft geht verloren
 
Die Nassmaiskampagne ist voll in Fahrt gekommen, es stünden eine ertragsstarke Maisernte und möglicherweise Lagerraumdruck bevor. Gleichzeitig hätten die Verarbeiter wegen des schwachen Absatzes ihre Produktion - mit einem in Folge sinkenden Importbedarf - gedrosselt und würden sich im Inland nur auf die Abnahme von Vertragsware konzentrieren. Dennoch fließe laufend Mais aus Österreichs Nachbarstaaten ins Land, und ließen sich für inländische Abgeber die von den aktuellen Nassmaispreisen abgeleiteten Preishoffnungen für Körnermais zurzeit nicht realisieren, sodass es um das Angebot von Trockenware sehr ruhig sei. 
 
Geschäft drohe auch für inländischen Mais als Rohstoff verloren zu gehen. Zurzeit werde kaum Trockenmais offeriert, weil die von den Nassmaispreisen - für die kommende Kalenderwoche 39 werden frei der jeweiligen Werke zwischen rund 118 und 121 Euro/t netto bei 30% Feuchtigkeit kolportiert - abgeleiteten Körnermaispreise höhere Preiserwartungen suggerieren würden als der Markt zurzeit hergebe beziehungsweise als Importe kosteten.
 
Bei stark schwankenden Körnermaiserträgen - auf Basis 14% von 4 bis 11t/ha - berichtet die Landwirtschaftskammer in Niederösterreich von ebenfalls breit gefächerten Feuchtigkeitsgehalten beim Nassmais von schon unter 20% bis durchschnittlich 30%.
 
In aller Stille schon weitgehend durch - und vermutlich mit Importware - dürfte indes auch die Ölsaatenversorgung der lokalen Verarbeiter sein. (Schluss) pos
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