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Wien, 28. Juli 2023 (aiz.info)

Getreidemärkte durch russische Angriffe auf Ukraine-Export nur kurz aus der Ruhe

Weiteres Abwarten am österreichischen Kassamarkt

Russland versucht mit der Beendigung des Getreidedeals und Angriffen auf die Donauhäfen sowie der Blockade der Schwarzmeer-Exportwege der Ukraine offensichtlich, sich eines unliebsamen Konkurrenten am Weltmarkt zu entledigen und die Wirtschaft des Kriegsgegners zu schwächen sowie gleichzeitig die Front der Unterstützung der Ukraine in der EU zu spalten. Gingen die internationalen Terminmärkte darauf am Montag noch mit Kurssprüngen insbesondere bei Weizen und Mais ein, entspannten sie sich im weiteren Wochenverlauf, und die Kurse - etwa der des Weizens an der Euronext korrigierten auf etwa das Niveau hinunter, von wo aus sie gestartet waren.

So zeige sich laut Brancheninsidern immer deutlicher, dass Russland eigentlich gar nicht ernsthaft eine Verlängerung des Getreidedeals verhandeln wollte. Alleine der Standpunkt, russische Getreideexporte würden durch Sanktionen behindert und die daraus abgeleitete Forderung der Integration der russischen Agrarbank in das internationale Zahlungssystem SWIFT, relativiere sich dadurch, dass Russland 2022/23 auch unter diesen Bedingungen Rekordmengen an Getreide auf den Weltmarkt exportiert habe.

Ausschaltung der Ukraine als Player am Weltmarkt offensichtliches Ziel Russlands

Vielmehr gehe es Russland, so Analysten, um die Ausschaltung der Ukraine am Weltmarkt. Zum einen, weil die Ukraine zu einem hohen Maß von den Einnahmen aus dem Agrarexport abhängig ist und zum anderen, weil man selber auf einem riesigen Getreideüberschuss aus der Ernte 2022 sitze. Der Agrarsektor trägt schließlich 10% zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Ukraine bei, beschäftig 205 ihrer Arbeitnehmer und bringt 40% der Deviseneinnahmen ein.

Russland müsse seinen Getreideüberschuss mit allen Mitteln auf den Markt werfen, weil die neuerlich gute Ernte 2023 sonst nicht in im vorhandenen Siloraum unterzubringen wäre. Als "positiven" Nebeneffekt einer weiteren Eskalation am Schwarzen Meer bezwecke man offensichtlich, Preissprünge auslösen zu können. Denn mit aggressiven Preisgeboten hätten russische Exporteure die Weltmarktpreise schon so weit gedumpt, dass Exporte selbst für russische Verhältnisse nicht mehr kostendeckend und verlustbringend geworden seien und man schon deren Einstellung überlegt habe. Dass es vor allem arme und unter Hunger leidende Länder trifft, wenn sich das Getreideangebot verknappt und die Einkäufe verteuern, werde in Kauf genommen und sogar für die eigene Propaganda genutzt: So brachte sich der russische Präsident diese Woche beim Treffen mit afrikanischen Ländern in St. Petersburg gönnerhaft als Garant dafür in Stellung, sein Land könne und werde den Ausfall ukrainischer Lieferungen ersetzen. Allenfalls schenke Russland diesen Ländern als "Bruderhilfe" Getreide sogar. Dies wird als eine elegante "Verpackung" staatlicher Markteingriffe interpretiert, überschüssiges Getreide mittels Interventionskäufen aus dem Markt zu nehmen und außer Landes zu bringen.

Russland will offensichtlich auch westliche Verbündete spalten

Die Ukraine mit dem Abschneiden ihrer Schwarzmeerroute zur Suche nach alternativen Exportrouten zu zwingen, könne der Verfolgung eines weiteren Kriegszieles dienen, heiß es. Nämlich der Spaltung der antirussischen westlichen Staatengemeinschaft. Gelinge es Russland, noch mehr Agrarexporte aus der Ukraine beispielsweise über die Solidaritätskorridore in die EU zu drücken, schüre dies in der Union Zerwürfnisse über dadurch ausgelöste Verwerfungen am Binnenmarkt, binde ohnehin knappe Logistikkapazitäten und schmälere wegen der gegenüber dem Seeweg höheren Transportkosten die Produkterlöse ukrainischer Anbieter.

Russland konnte internationale Märkte noch nicht nachhaltig aus der Ruhe bringen

Die russischen Angriffe auf den ukrainischen Getreideexport konnten die internationalen Märkte zumindest bisher nicht so weit aus der Ruhe bringen, dass sie nach der Erstreaktion mit den Preissprüngen am Montag nachhaltig in einen Rallyemodus geschaltet hätten. So machte der Schlusskurs des Mahlweizens zur Lieferung im September an der Euronext in Paris am Montag zwar einen Satz um 17,50 Euro auf 264,75 Euro/t nach oben, gab aber bis Donnerstag wieder auf 251,50 Euro/t nach und sackte am Freitagmittag auf 247,50 Euro/t ab - praktisch von wo aus er zu Wochenbeginn gestartet war. Ähnlich entwickelte sich die Pariser Maisnotierung mit Fälligkeit August. Sie legte am Montag um 13,25 Euro auf 256,25 Euro/t zu, endete am Donnerstag mit 249,75 Euro/t und bewegte sich am Freitag um 247,00 Euro/t fast wieder auf Ausgangsniveau. Der August-Rapskontrakt verfiel trotz sinkender Ernteprognosen für die EU mit dem tiefsten Einbruch am Montag von Freitag voriger bis Donnerstag dieser Woche überhaupt kontinuierlich von 470,00 auf 432,50 Euro/t.

Weiteres Abwarten am österreichischen Kassamarkt

Mit der Unsicherheit, wohin sich die internationalen Preise nach dem kurzfristigen Anstieg und der darauf folgenden Korrektur weiter entwickeln werden, vielen im Urlaub befindlichen Marktteilnehmern sowie einer vorderhand offensichtlich guten Deckung der Mühlen ist am österreichischen Kassamarkt für Brotgetreide weiterhin ein Abwarten - vor allem bei Abgebern - angesagt. Indes füllen sich aber die Silos mit Fortschreiten der Ernte und es dürfte in Bälde Bewegung in den Markt kommen, heißt es - zumal auch, weil es mit den jüngsten Niederschlägen und einer Abkühlung mit den Maiserträgen wieder besser aussehen könnte.

Nach wie vor bleibe der Anteil an Weizen mit hohem Proteingehalt vergleichsweise klein, passten aber die sonstigen Qualitätsparameter. Den ersten internationalen Reaktionen auf die Eskalation am Schwarzen Meer nach Ende des Getreidedeals folgend stieg am Mittwoch dieser Woche an der Wiener Produktenbörse die Notierung von Mahlweizen kräftig und wieder über die 200-Euro-Marke an.

In Italien nehme dem Vernehmen nach langsam die Nervosität zu, weil jüngst Offerten aus der Ukraine ausblieben, obwohl der Bahnkorridor weiterhin funktionieren sollte. Dies habe sich am österreichischen Maismarkt bemerkbar gemacht, allerding seien die Umsätze klein geblieben, weil die alte Ernte schon weitgehend durchgehandelt sei. Zudem blieben Transportkapazitäten knapp. So heißt es, Rail Cargo Austria habe jüngst Güterwagons aus dem Verkehr Richtung Italien in den vermeintlich lukrativeren zwischen der Ukraine und Westeuropa abgezogen.

Still bleibt es am Ölsaatenmarkt, Quotierungen für Raps werden weniger, besser mit Nachfrage und sogar steigenden Preisgeboten soll es hingegen bei Sonnenblumen aussehen. (Schluss) pos
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