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Wien, 17. Jänner 2023 (aiz.info)

Wintertagung zum Thema Versorgung: Transformation braucht innovative Lösungen

Pernkopf: Produktionseinschränkungen sind der falsche Weg

Das Thema Versorgungsicherheit sowohl mit Lebensmitteln als auch mit Energie steht im Zentrum der 70. Wintertagung des Ökosozialen Forum Österreich, die heute, Dienstag, in traditioneller Weise mit dem Tag für Agrarpolitik eröffnet wurde. Während Bundesminister Norbert Totschnig die Leistungen der heimischen Bäuerinnen und Bauern für eine nachhaltigere und umweltgerechtere Landwirtschaft hervorhob, sprach sich der Präsident des Ökosozialen Forums, Stephan Pernkopf, gegen Produktionseinschränkungen aus. "Die Landwirtinnen und Landwirte sind in der Lage die Menschen zu ernähren. Wenn wir nicht selbst produzieren, importieren wir Sozialdumping", stellte Pernkopf klar. Michael Obersteiner, Direktor des Environmental Change Institute der Oxford Universität, appellierte für mehr ambitiöse und innovative Lösungen, speziell im Umweltbereich. "Hier muss die Politik effizienter gestalten."
 
Zum Motto der Wintertagung 2023 "Selber produzieren statt Krisen importieren - Wie wir unsere Erde, Energie und Ernährung für morgen sichern", schlug Pernkopf eine Vorratshaltung für wichtige Lebens- und Betriebsmittel sowie Medikamente nach dem Vorbild der Schweiz vor. Dort gebe es nicht nur eine staatliche Vorratshaltung, sondern auch eine in Kooperation mit der Wirtschaft. "Das Thema könnte im geplanten Krisensicherheitsgesetz der Bundesregierung berücksichtigt werden", so Pernkopf.
 
Führen Diskussion mit vollem Bauch
 
Zudem betonte Pernkopf die soziale Verantwortung des Ökosozialen Forums: "Wir führen in Österreich beziehungsweise in Europa eine Diskussion mit vollem Bauch. Bis zum Jahr 2019 ist die Zahl der weltweit hungernden Menschen zurückgegangen, seither hungern aber wieder an die 150 Mio. Menschen mehr. Dagegen muss etwas unternommen werden."
 
Zur Umwelt- und Klimaeffizienz der heimischen Landwirtschaft verwies Pernkopf auf eine gemeinsame Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), der Universität für Bodenkultur und dem Umweltbundesamt im Auftrag des Ökosozialen Forums. Daraus geht hervor, dass der durchschnittliche Getreideertrag in Österreich pro ha rund 1 t über dem EU-Schnitt bei geringem Düngeaufwand liegt. Demnach kommt Österreich im Bereich der CO2-Äquivalente auf 1,68 kg pro Euro Wertschöpfung - in Deutschland sind es um 20% mehr. In England liegt die Zahl mit 2,96 kg CO2-Äquivalenten pro Euro Wertschöpfung noch höher. "Österreich wird ständig besser und konnte sich in den letzten 20 Jahren um 20% verbessern", unterstrich Pernkopf. Der Trend sei vor allem in der Milchproduktion nachweisbar, bei der man sich von 0,98 kg CO2 pro kg Milch im Jahr 1990 auf 0,52 kg im Jahr 2022 verbessern konnte.
 
Totschnig: Teilnahme an ÖPUL-Maßnahmen gesteigert
 
Totschnig betonte die gesteigerten Teilnehmerzahlen heimischer Landwirte an dem freiwilligen Agrarumweltprogramm "ÖPUL" in der neuen Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2023. "Die Teilnahmezahlen zum neuen Agrarumweltprogramm zeigen, dass wir mit der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik am richtigen Weg sind. Wir verzeichnen bereits über 90.000 Anträge - und damit rund 4.000 Anträge mehr als im Vorjahr. Unsere Bäuerinnen und Bauern nützen also die Angebote in Richtung Klima, Artenvielfalt und Tierwohl gut. Damit setzen wir den Weg unserer Qualitätsstrategie fort und sichern die Lebensmittelversorgung weiter ab. Die Teilnahme der Bäuerinnen und Bauern am Agrarumweltprogramm 2023 ist ein voller Erfolg", führte Totschnig aus.
 
Im Detail nehmen mehr Landwirte an der ÖPUL-Maßnahme umweltgerechte und biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung (UBB) teil: Aktuell über 48.000 UBB-Betriebe gegenüber 46.000 im Jahr 2022. Erhöht hat sich laut dem Minister auch der Bio-Anteil auf rund 22.800 Betriebe (2022: 22.480) sowie die Zahl der Betriebe, die an einer Naturschutz-Maßnahme teilnehmen, auf 21.655 (2022: 17.430). Im Bereich Tierwohl-Stallhaltung bei männlichen Rindern sind 6.500 Anträge (2022: 2.000) eingegangen.
 
"Die vergangenen Jahre haben uns gelehrt, mit Krisen umzugehen und aus ihnen zu lernen. Unser Ziel ist es, die Resilienz unserer kleinstrukturierten, bäuerlichen Landwirtschaft auch in Zukunft auszubauen. Die hohe Eigenversorgung bei Grundnahrungsmitteln und der Fokus auf erneuerbare Energieträger wird sich bewähren. Seit meinem Amtsantritt ist die Versorgungssicherheit eine absolute Priorität und das wird auch so bleiben", erklärte Totschnig.
 
Obersteiner: Treibhausgasemissionen müssen net-negativ gehen
 
Laut dem aus Österreich stammenden Wissenschafter Michael Obersteiner sind künftig mehr Ambitionen und Innovationen im Umweltbereich nötig, um die Treibhausgasemissionen nicht nur zu senken, sondern auch ins Minus zu drehen. Durch Methoden der sogenannten zirkulären Bioökonomie, die auch die Materialwirtschaft berücksichtigen, könnte etwa Kohlenstoff aus pflanzlicher Biomasse dazu verwendet werden, den Wasserstoff zu tragen, der aus den erneuerbaren Energien kommt. "Den Wasserstoff nur aus der Biomasse zu holen, wird nicht ausreichen. Zudem müssen wir CO2 aus der Atmosphäre holen und in die Böden und geologischen Formationen bringen. Aber eines muss klar sein: Das macht nur Sinn, wenn man es global macht. Dann schaffen wir den Sprung von der klassischen Ökonomie zur Transitionsökonomie, mit der man eine systemische Resilienz erreichen kann", schilderte Obersteiner. Die notwendigen Technologien, um mit fossilen Energien konkurrenzfähig zu sein, fehlen aber noch oder werden aktuell entwickelt, schränkte der Wissenschafter ein.
 
Für die systemische Resilienz müssten Klimaziele und Versorgungssicherheit unter einen Hut gebracht und die Ökonomie dazu umgebaut werden. "Das ist derzeit eine riesige Herausforderung, die wir langfristig trotz Krieg und Pandemie bewältigen müssen", so Obersteiner.
 
Nicht zuletzt sprach der Expert von einem künftig flexibleren Konsum. "Es geht nicht an, dass wir locker weiter essen, was wir wollen, wenn es eine globale Ernährungskrise gibt. Wir müssen den Überkonsum im Sinne unserer Gesundheit und Solidarität herunterfahren", merkte Obersteiner kritisch an.
 
70. Wintertagung
 
Die 70. Wintertagung des Ökosozialen Forums findet von 17. bis 26. Jänner 2023 statt. An insgesamt zehn Fachtagen wird von Vortragenden und Diskussionsgästen die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft auf Basis biogener Rohstoffe behandelt, um die Versorgungssicherheit auch in Krisenzeiten künftig gewährleisten zu können. Eine Teilnahme ist sowohl vor Ort als auch online möglich. Die Videos der Vorträge und Diskussionen sind im Anschluss in der Wintertagungs-Mediathek unter oekosozial.at abrufbar. (Schluss) hub
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