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Brüssel, 12. Dezember 2023 (aiz.info)

EU-Landwirtschaftsminister bei Regeln zu neuer Gentechnik gespalten

Totschnig stimmte gegen geplante Lockerungen

Für Lockerungen der Regeln für neue Gentechnikmethoden gibt es unter den EU-Staaten vorerst keine Mehrheit. Die Landwirtschaftsministerinnen und -minister der Europäischen Union konnten sich bei einem Treffen am Montag in Brüssel nicht auf eine gemeinsame Position zum Vorschlag der EU-Kommission einigen, die Vorschriften für den Einsatz sogenannter Neuer Genomischer Verfahren (NGT) deutlich zu lockern. Sieben EU-Staaten stimmten gegen den Vorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft, darunter etwa Österreich und Polen. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig begrüßt zwar, dass weiterhin eine Opt-out-Option für die Mitgliedstaaten bei einigen NGT-Sorten (Kategorie NGT-2) vorgesehen ist. Positiv sei auch das weiterhin geplante Verbot von NGT in der biologischen Landwirtschaft. Ein Streitpunkt ist für Totschnig die Frage der Patentierbarkeit von mit NGT hergestellten Pflanzensorten.
 
"Es geht darum, dass wir hier die großen Konzerne begünstigt sehen. Die vergleichsweise kleinstrukturierte Land- und Saatgutwirtschaft wird bedroht, durch eine Monopolisierung die hier stattfinden könnte", sagte Totschnig laut APA. Hintergrund sei unter anderem die Sorge, dass mithilfe von NGT Pflanzensorten geschaffen werden, die auch durch herkömmliche Züchtung entstehen. Große Konzerne wären mit den neuen Verfahren aber schneller und könnten die Sorten auch noch patentieren.
 
Ein weiteres Anliegen von Totschnig ist die Kennzeichnung von Produkten, die NGT-Pflanzen enthalten. Das sei wichtig, damit das Verbot in der Bio-Landwirtschaft bewerkstelligt werden könne. Ein Verzicht auf eine Risikobewertung bei einigen Formen der Neuen Gentechnik (NGT-1) widerspreche weiters dem Vorsorgeprinzip.
 
Özdemir: Funktionierenden Markt nicht kaputt machen
 
Deutschland enthielt sich bei der jüngsten Abstimmung. "Wer gentechnikfrei wirtschaften will, muss dies auch in Zukunft tun können", betonte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Das gelte für Bio-Landwirte genauso wie für den konventionellen Anbau. "Wir haben einen funktionierenden Markt, den muss man nicht kaputt machen", sagte Özdemir in Brüssel.
 
Gentechnisch veränderte Pflanzen könnten dazu beitragen, das Einkommen der Landwirte zu sichern, erklärte der französische Agrarminister Marc Fesneau in Brüssel laut Dow Jones News. Zudem könne so der Einsatz umweltschädlicher Pestizide verringert werden. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, für den Einsatz von NGT die Kennzeichnungspflicht sowie die Auflagen für Risikoprüfungen stark zu lockern und teilweise gänzlich abzuschaffen. Der am Montag abgelehnte Kompromissverschlag hatte diese Vorschläge weitgehend aufgenommen.
 
Mehrere Mitgliedsländer äußerten während der Sitzung am Montag Bedenken, weil das Patentrecht mit den neuen Vorschriften nicht ausreichend geklärt sei. Die EU müsse mittelständische Saatguthersteller schützen und verhindern, dass nur einzelne Großkonzerne Patente für gentechnisch verändertes Saatgut anmelden, erklärte auch Özdemir.
 
Auch wenn sieben EU-Staaten gegen den Vorschlag stimmten, zeigt sich der spanische Landwirtschaftsminister Luis Planas dennoch optimistisch, in den kommenden Tagen auf Diplomatenebene einen Kompromiss zu finden. "Wir sind dabei, eine Einigung zu erzielen", betonte er nach der Abstimmung in Brüssel. NGT-Verfahren ermöglichten präzise Eingriffe in die DNA einer Pflanze. Befürworter erhoffen sich dadurch neue Pflanzensorten, die sich besser an klimatische Veränderungen anpassen können, weniger Wasser benötigen oder resistenter gegenüber Krankheiten sind. Zudem sollen schneller neue Sorten auf den Markt kommen.
 
Bio Austria-Obfrau Barbara Riegler zeigte sich darüber erfreut: "Es ist ein wichtiges Signal und eine gute Nachricht für Konsumten sowie für Bäuerinnen und Bauern, dass die Mitgliedsstaaten den vorliegenden Entwurf abgelehnt haben. Denn dieser stellt mit der enthaltenen defacto-Deregulierung eine Gefahr für die gesamte gentechnikfreie Landwirtschaft dar. Für Österreich steht die Qualitätsstrategie und der Fortbestand des viel zitierten Feinkostladens Österreich auf dem Spiel, zu dem der hohe Anteil biologischer Landwirtschaft maßgeblich beiträgt." (Schluss)
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