Zehntausende Traktoren blockieren in ganz Deutschland Straßen und Städte
Verständnis von Vertretern aus Wissenschaft und Politik
Mit kilometerlangen Traktorkonvois und Blockadeaktionen an Autobahnauffahrten haben Landwirte am Montag gegen die Politik der Regierung demonstriert und den Straßenverkehr massiv gestört. Nach Angaben der Polizei waren zum Auftakt einer bundesweiten Protestwoche in vielen Städten und Regionen insgesamt zehntausende Traktoren unterwegs. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, bat die von den Aktionen betroffenen Menschen um Verständnis.
Es gehe um "die Zukunft unserer Bauernfamilien", sagte Rukwied am Rande der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Kloster Seeon, wie Dow Jones News berichtet. Daneben gehe es auch um die Ernährungssicherheit und somit "die Zukunft unseres Landes". Die Politik der Bundesregierung richte sich gegen die Bauern. "Hier versucht man ein Abwicklungsszenario auf den Weg zu bringen, das absolut inakzeptabel ist."
Landwirte blockierten laut Polizeiangaben in praktisch allen Bundesländern zeitweise unter anderem Autobahnauffahrten und andere Nadelöhre wie Tunnel, Fähranleger, Brücken sowie Kreisverkehre an Bundes- und Landesstraßen. Durch viele Regionen fuhren außerdem Kolonnen von Traktoren und anderen Fahrzeugen, die sich teils auf einer Länge von 15 bis 20 Kilometern erstreckten.
In Mecklenburg-Vorpommern waren laut Polizei am Vormittag zeitweise alle Autobahnauffahrten nicht passierbar, in Brandenburg fast alle Auffahrten. Dort meldeten die Beamten auch die Abriegelung ganzer Städte. Es bestehe "aktuell keine Möglichkeit", nach Brandenburg an der Havel einzufahren, teilte die Polizei zwischenzeitlich mit.
Bundesweit versammelten sich Bauern zudem zu Sternfahrten in größere Städte, wo sie im Laufe des Tages zentrale Kundgebungen abhielten. Auch dabei lösten sie größere Verkehrsbeeinträchtigungen aus. Allein in München begleitete die Polizei nach eigenen Angaben rund 5.500 Traktoren aus der umliegenden Region in Richtung Innenstadt. In Bremen zählten die Beamten rund 2.000 Traktoren und Lastwagen, in Wiesbaden, Leipzig sowie in Halle an der Saale je bis zu etwa 1.500.
Rukwied distanzierte sich erneut deutlich von extremistischen Umtrieben und Aktionen wie etwa die Blockadeaktion gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Schleswig-Holstein vergangene Woche. Dafür seien Randgruppen verantwortlich, "davon distanzieren wir uns". Die Leitlinie des DBV sei die Demokratie. Er sehe nicht die Gefahr, dass sein Verband unterwandert werde.
Habeck fordert Debatte über Agrarwandel
Habeck hat angesichts der Bauernproteste zu einer Debatte über einen weiteren Wandel der Landwirtschaft aufgerufen. Der Grünen-Politiker verwies in einem am Montag auf sozialen Medien verbreiteten Video des Ministeriums auf strukturelle Probleme der Branche.
Habeck erinnerte daran, dass er früher Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein war: "Ich habe viele Betriebe besucht und noch mehr Gespräche mit Bäuerinnen und Bauern geführt", sagte der Vizekanzler. "Sie arbeiten sieben Tage die Woche, sind immer auf Abruf, und wenn andere ihren Jahresurlaub machen, haben sie Erntezeit. Ja, sie wirtschaften unter einem mächtigen ökonomischen Druck, dem Preisdruck durch die Discounter, der großen Schlachthöfe und Molkereien, dem schwankenden Weltmarkt." Es gebe gute und schlechte Jahre, vor allem aber gebe es ein strukturelles Problem.
Bauern könnten ihre Produktionskosten oft nicht weitergeben, weil die Preise nicht von ihnen gemacht würden. "Häufig haben sie Schwierigkeiten, ihre Produktionskosten zu decken. Es muss also immer mehr produziert werden." Genau das passiere auch, so Habeck. "Die Kühe heute geben gut 65 Prozent mehr Milch als noch vor 30 Jahren. Die Zahl der Höfe ist im gleichen Zeitraum um weit mehr als die Hälfte zurückgegangen."
Die Tierbestände pro Hof würden immer größer, kleine Höfe verschwänden. "Strukturwandel nennt man das. Ich finde, etwas beschönigend. Es ist die Industrialisierung der Landwirtschaft." Natürlich wolle man angesichts der Probleme an jeder einzelnen Subvention ohne Abstriche festhalten, sagte Habeck mit Blick auf den Bauernverband. "Nur gibt es auch andere Antworten: Faire Preise, gute Bezahlung für anspruchsvolle Arbeit, für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Tierschutz, direkte Vermarktung. Meiner Ansicht nach sollte man die Debatte jetzt nutzen, um ernsthaft und ehrlich genau darüber zu diskutieren."
Ifo-Präsident Fuest: Einsparungen treffen Bauern überproportional
Clemens Fuest, Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München (ifo Institut), sieht die Landwirte durch die von der Ampel-Koalition geplanten Einschnitte bei Subventionen "weit überproportional" belastet. "Ich habe mich schon etwas gewundert, dass man einen so großen Anteil des Gesamtsparpakets einer so kleinen Gruppe zunächst mal zumutet. Das ist schon sehr überraschend", sagte der Wirtschaftsforscher bei der Klausurtagung der CSU-Bundestagsabgeordneten im oberbayerischen Kloster Seeon.
Man müsse fragen, wie dies zu rechtfertigen sei, sagte Fuest. "Und man muss sicherlich auch fragen: Kann man so etwas und sollte man so etwas machen von einem Tag auf den anderen? Oder muss man nicht einer solchen Branche zumindest Zeit einräumen, beispielsweise andere Kraftstoffe als Diesel zu entwickeln. Das ist eine Aufgabe für ein Jahrzehnt und nicht eine Sache, die man von heute auf morgen erledigen kann." Angesprochen auf Analysen, dass die Landwirte in den vergangenen Jahren sehr gute wirtschaftliche Ergebnisse erzielt hätten, sagte Fuest: "Nur weil eine Branche vielleicht nach schwierigen Jahren jetzt mal in einer guten Phase ist, heißt das noch nicht, dass es gerechtfertigt ist, einen so großen Anteil der Lasten auf eine solche Gruppe zu verlagern." (Schluss)
Es gehe um "die Zukunft unserer Bauernfamilien", sagte Rukwied am Rande der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Kloster Seeon, wie Dow Jones News berichtet. Daneben gehe es auch um die Ernährungssicherheit und somit "die Zukunft unseres Landes". Die Politik der Bundesregierung richte sich gegen die Bauern. "Hier versucht man ein Abwicklungsszenario auf den Weg zu bringen, das absolut inakzeptabel ist."
Landwirte blockierten laut Polizeiangaben in praktisch allen Bundesländern zeitweise unter anderem Autobahnauffahrten und andere Nadelöhre wie Tunnel, Fähranleger, Brücken sowie Kreisverkehre an Bundes- und Landesstraßen. Durch viele Regionen fuhren außerdem Kolonnen von Traktoren und anderen Fahrzeugen, die sich teils auf einer Länge von 15 bis 20 Kilometern erstreckten.
In Mecklenburg-Vorpommern waren laut Polizei am Vormittag zeitweise alle Autobahnauffahrten nicht passierbar, in Brandenburg fast alle Auffahrten. Dort meldeten die Beamten auch die Abriegelung ganzer Städte. Es bestehe "aktuell keine Möglichkeit", nach Brandenburg an der Havel einzufahren, teilte die Polizei zwischenzeitlich mit.
Bundesweit versammelten sich Bauern zudem zu Sternfahrten in größere Städte, wo sie im Laufe des Tages zentrale Kundgebungen abhielten. Auch dabei lösten sie größere Verkehrsbeeinträchtigungen aus. Allein in München begleitete die Polizei nach eigenen Angaben rund 5.500 Traktoren aus der umliegenden Region in Richtung Innenstadt. In Bremen zählten die Beamten rund 2.000 Traktoren und Lastwagen, in Wiesbaden, Leipzig sowie in Halle an der Saale je bis zu etwa 1.500.
Rukwied distanzierte sich erneut deutlich von extremistischen Umtrieben und Aktionen wie etwa die Blockadeaktion gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Schleswig-Holstein vergangene Woche. Dafür seien Randgruppen verantwortlich, "davon distanzieren wir uns". Die Leitlinie des DBV sei die Demokratie. Er sehe nicht die Gefahr, dass sein Verband unterwandert werde.
Habeck fordert Debatte über Agrarwandel
Habeck hat angesichts der Bauernproteste zu einer Debatte über einen weiteren Wandel der Landwirtschaft aufgerufen. Der Grünen-Politiker verwies in einem am Montag auf sozialen Medien verbreiteten Video des Ministeriums auf strukturelle Probleme der Branche.
Habeck erinnerte daran, dass er früher Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein war: "Ich habe viele Betriebe besucht und noch mehr Gespräche mit Bäuerinnen und Bauern geführt", sagte der Vizekanzler. "Sie arbeiten sieben Tage die Woche, sind immer auf Abruf, und wenn andere ihren Jahresurlaub machen, haben sie Erntezeit. Ja, sie wirtschaften unter einem mächtigen ökonomischen Druck, dem Preisdruck durch die Discounter, der großen Schlachthöfe und Molkereien, dem schwankenden Weltmarkt." Es gebe gute und schlechte Jahre, vor allem aber gebe es ein strukturelles Problem.
Bauern könnten ihre Produktionskosten oft nicht weitergeben, weil die Preise nicht von ihnen gemacht würden. "Häufig haben sie Schwierigkeiten, ihre Produktionskosten zu decken. Es muss also immer mehr produziert werden." Genau das passiere auch, so Habeck. "Die Kühe heute geben gut 65 Prozent mehr Milch als noch vor 30 Jahren. Die Zahl der Höfe ist im gleichen Zeitraum um weit mehr als die Hälfte zurückgegangen."
Die Tierbestände pro Hof würden immer größer, kleine Höfe verschwänden. "Strukturwandel nennt man das. Ich finde, etwas beschönigend. Es ist die Industrialisierung der Landwirtschaft." Natürlich wolle man angesichts der Probleme an jeder einzelnen Subvention ohne Abstriche festhalten, sagte Habeck mit Blick auf den Bauernverband. "Nur gibt es auch andere Antworten: Faire Preise, gute Bezahlung für anspruchsvolle Arbeit, für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Tierschutz, direkte Vermarktung. Meiner Ansicht nach sollte man die Debatte jetzt nutzen, um ernsthaft und ehrlich genau darüber zu diskutieren."
Ifo-Präsident Fuest: Einsparungen treffen Bauern überproportional
Clemens Fuest, Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München (ifo Institut), sieht die Landwirte durch die von der Ampel-Koalition geplanten Einschnitte bei Subventionen "weit überproportional" belastet. "Ich habe mich schon etwas gewundert, dass man einen so großen Anteil des Gesamtsparpakets einer so kleinen Gruppe zunächst mal zumutet. Das ist schon sehr überraschend", sagte der Wirtschaftsforscher bei der Klausurtagung der CSU-Bundestagsabgeordneten im oberbayerischen Kloster Seeon.
Man müsse fragen, wie dies zu rechtfertigen sei, sagte Fuest. "Und man muss sicherlich auch fragen: Kann man so etwas und sollte man so etwas machen von einem Tag auf den anderen? Oder muss man nicht einer solchen Branche zumindest Zeit einräumen, beispielsweise andere Kraftstoffe als Diesel zu entwickeln. Das ist eine Aufgabe für ein Jahrzehnt und nicht eine Sache, die man von heute auf morgen erledigen kann." Angesprochen auf Analysen, dass die Landwirte in den vergangenen Jahren sehr gute wirtschaftliche Ergebnisse erzielt hätten, sagte Fuest: "Nur weil eine Branche vielleicht nach schwierigen Jahren jetzt mal in einer guten Phase ist, heißt das noch nicht, dass es gerechtfertigt ist, einen so großen Anteil der Lasten auf eine solche Gruppe zu verlagern." (Schluss)
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