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Wien, 7. Juli 2023 (aiz.info)

Wettermärkte und widersprüchliche Signale zu Getreidedeal schicken Preise rauf und runter

Russland pokert um Anbindung von Agrarbank an SWIFT - Ukraine entspannt

Widersprüchliche Signale Russlands zur Verlängerung des Schwarzmeer-Getreidedeals über den 18. Juli hinaus, nervöse Wettermärkte zum Beginn der Erntesaison auf der Nordhalbkugel sowie Gewinnmitnahmen nach zwischenzeitlichen Preissprüngen schicken die Preise von Getreide, Mais und Ölsaaten weiterhin munter rauf und runter. FAO und OECD untersuchten in ihrem agrarischen Ausblick 2023 bis 2032 (Zusammenfassung unten als Download) die Auswirkungen steigender Düngemittelpreise auf die Erzeugerpreise. Demnach treibe jedes Prozent Verteuerung von Düngemitteln die Preise von Agrarprodukten um 0,2% in die Höhe - dabei die von pflanzlichen Produkten stärker als die von tierischen. Bis auf die Vermarktung kleiner Restmengen von Brotweizen alter Ernte ist am österreichischen Kassamarkt wieder Ruhe eingekehrt, nachdem sich die kurzfristige Nachfragebelebung und Befestigung beim Mais wieder gelegt haben.
 
Die UN-Organisationen für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) und wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) gehen des Weiteren davon aus, dass der Ukraine-Krieg weiterhin für Unsicherheit bei Nahrungsmittel-, Energie- und Inputpreisen sowie bei der Angebotslage sorgen werde. Der in Kalorien berechnete Zuwachs des Nahrungsmittelkonsums solle sich vor diesem Hintergrund in den kommenden zehn Jahren auf jährlich 1,3% verlangsamen, auch weil sich die Zunahme der Weltbevölkerung und der Pro-Kopf-Einkommen einbremse. Bei den Futtermitteln steige die Nachfrage in den ärmeren Ländern, die beim Fleischkonsum aufholen wollten, schneller als bei den reicheren. Treibender Faktor für die Steigerung der pflanzlichen Produktion sei weniger die Ausweitung der Anbauflächen als die Steigerung der Produktivität - nämlich zu 79% durch Ertragssteigerungen.
 
Russland pokert um Anbindung von Agrarbank an SWIFT - Ukraine entspannt
 
Beim Poker um die Verlängerung des Getreidedeals zu den sicheren Exportkorridoren für die Ukraine über das Schwarze Meer nach dem 18. Juli übt Russland Druck aus, seine Agrarbank nach dem Ausschluss alles Institute des Landes im Zuge der Sanktionen wieder in das internationale Zahlungssystem SWIFT einzubinden. Dies solle Ausfuhren von Agrarprodukten und Düngemitteln erleichtern. Aus Moskau kommen dazu widersprüchliche Signale von Ablehnung einer Verlängerung des Getreidedeals bis zu Verhandlungsbereitschaft. Die UNO als ein Vermittler des Deals und die EU, wo alle Mitgliedstaaten der Einbindung der russischen Agrarbank in SWIFT zustimmen müssten, zeigen sich besorgt um die Versorgungssicherheit der ärmsten Länder der Welt, wiewohl China bisher der größte Abnehmer ukrainischer Agrargüter im Zuge des Getreidedeals war (siehe Link unten: Internationale Getreidemärkte korrigieren mit Wetter und Russland heftig runter und rauf). Da eine Einstimmigkeit in der EU zu den russischen Bedingungen als unwahrscheinlich gilt, stelle die Kommission nun eine Konstruktion über die Gründung einer Tochterfirma der Agrarbank, die dann Zugang zum Zahlungssystem erhalten solle, in Aussicht.
 
Wie immer der Poker ausgehen mag, am ehesten entspannt zeige sich laut Brancheninsidern die ukrainische Seite. So heißes von Marktteilnehmern aus der Ukraine, man sei gar nicht mehr auf den Getreidedeal angewiesen, weil man das Exportpotenzial des Landes mittlerweile mittels des Umschlags der Ware im rumänischen Donaudelta auf Hochseeschiffe und von dort aus über den nicht ins Kriegsgeschehen involvierten Bereich des Schwarzen Meeres auf den Weltmarkt beringen könne. Diese Alternative zum Getreidedeal sei schon deshalb wichtig, weil auch im Falle der Verlängerung ein weiteres Sabotieren der Umsetzung durch Russland in Form verzögerter Schiffsinspektionen zu befürchten sei.
 
Wettermärkte von verschiedenen Einflussfaktoren bestimmt
 
Einflussfaktoren auf die Wettermärkte waren diese Woche unter anderem Berichte des US-Landwirtschaftsministeriums USDA. Demnach verzögern Regenfälle die Ernte von Winterweizen in den USA, bislang sind erst 37% eingebracht, während es zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres 52%v gewesen sind. Überraschend verschlechterte sich die Bonitierung der US-Sommerweizenbestände, für die der Regen zu spät gekommen sei, im Wochenabstand um 2% auf nur mehr 48% sehr gut oder gut nach 66% vor einem Jahr. Ebenso ging es mit der von Sojabohnen um 1% auf 50% sehr oder gut hinunter nach 64% vor einem Jahr. Der Regen verbesserte hingegen die Bewertungen des Mais in den USA zur Vorwoche um 1% auf nunmehr 51% in den beiden besten Kategorien. 
 
Zudem hätten laut dem Ressort die US-Farmer für die Ernte 2023 um jeweils 9% mehr Ackerfläche mit Weizen und Mais bestellt als im Vorjahr sowie um 4% weniger mit Sojabohnen. Der vierteljährliche Lagerstandsbericht per Anfang Juni weist im Jahresabstand 6% weniger Maisbestände, um 18% verringerte von Soja und um 17% kleinere von Weizen aus. Dabei lagerte aber auf den Farmen um 34% mehr Weizen als vor Jahresfrist, bei Handel und Verarbeitern aber um 25% weniger. 
 
In Russland hätten zuletzt zwar die Exportpreise von Weizen angezogen, doch hob die Analyse Agritel die Prognose für die russische Weizenernte von 83,2 auf 85,7 Mio. t an und machte ein Rubelverfall ein Gros des Preisanstiegs wieder zunichte. Russischer Weizen bleibt deshalb gefragt und das Exporttempo hoch. Andere Analysten sagen Frankreich überdurchschnittliche Hektarerträge von bis zu 5% über dem Schnitt des letzten Dezenniums voraus. Strategie Grains kürzte die Prognose der EU-Maisernte um 0,9 Mio. t auf 61,2 Mio. t.
 
Trotz Russland-Konkurrenz stieg 2022/23 Weichweizenexport der EU um 12%
 
Trotz harter Konkurrenz aus Russland exportierte die EU laut den jüngsten Kommissionsdaten im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 mit 31,14 Mio. t nativem Weichweizen um 12% mehr als 2021/22, dazu noch 0,48 Mio. t Weichweizenmehl und 0,74 Mio. t Durum. Größte Exporteur in der Union war wieder Frankreich vor Rumänien und Deutschland. Als größten Weizenkunden löste Marokko mit gut 4,68 Mio. t (2021/22: 2,00 Mio. t) und 15% Anteil Algerien (4,08 Mio. t oder 13,2% nach 4,95 Mio. t bzw.18%) ab, es folgen Nigeria, (2,81 Mio. t) Ägypten (1,80 Mio. t) und Saudi Arabien (1,72 Mio. t). 
 
Als größter Lieferant von Weizenimporten in die EU überflügelte 2022/23 die Ukraine (5,71 Mio. t und 62% nach 0,36 Mio. t oder 14%) das Vereinigte Königreich 1,81 Mio. t oder 20% nach 0,51 Mio. t oder 20%). Weizeneinfuhren aus Russland gingen von 0,48 Mio. t auf 0,30 Mio. t zurück.
 
Nur Weizen an der Euronext im Wochenabstand behauptet
 
An der Euronext in Paris konnte sich der Schlusskurs von Weizen zur Lieferung im September vom Freitag voriger Woche bis Donnerstag dieser Woche nach vorerst einem Abschwung und einem Sprung nach oben am Mittwoch leicht von 230,75 Euro auf 233,00 Euro/t befestigen. Dementgegen verloren die Kontrakte auf Mais zur Lieferung im August von 230,50 auf 227,50 Euro/t und von Raps mit Fälligkeit August von 4449,75 auf 443,50 Euro/t. Alle drei Pariser Agrarderivate starteten mit Verlusten in den Freitagshandel.
 
Weiterhin gespanntes Abwarten am österreichischen Kassamarkt
 
Bis auf die Vermarktung kleiner Restmengen von Brotweizen alter Ernte ist am österreichischen Kassamarkt wieder Ruhe eingekehrt, nachdem sich die kurzfristige Nachfragebelebung und Befestigung beim Mais wieder gelegt haben. Die Stimmung beschrieben Marktteilnehmer rund um die Notierungssitzung der Wiener Produktenbörse mit "gespanntes Abwarten", welche Mengen und Qualitäten die neue Ernte beringen werde. Bis dahin zeigen sich die Mühlen ausreichend mit Brotgetreide gedeckt. Maisverarbeiter würden infolge der schwachen Konjunktur und Nachfragelage sogar weiterhin die Abnahme von Lieferungen aus bestehenden Kontrakten zu hinauszuzögern versuchen. Als generelles Problem wird in der Branche die Logistik betrachtet. Die flaue allgemeinwirtschaftliche Lage lasse es an Retourfrachten mangeln, sodass trotz ausreichend freier Kapazitäten Transportkosten jüngst teilweise bis zum Doppelten gestiegen seien.
 
Mühlen aus Italien, von wo aus der schon gestarteten Weizenernte 10% niedrigere Erträge als im Vorjahr und durchwachsene Qualitäten kolportiert werden, interessierten sich zwar für österreichischen Aufmischweizen, es seien aber noch keine Einigungen über Preise zustande gekommen.
 
Aus der hierzulande laufenden Gerstenernte wird auch teilweise von späteren, tiefgründigeren Standorten von zwar guten, aber unter den Erwartungen liegenden Erträgen sowie mancherorts von durch Krankheiten geminderten Hektolitergewichten und zu neiedrigen Proteingehalten bei Winterbraugerste berichtet. In Wien notierte Futtergerste unverändert zur Vorwoche. (Schluss) pos
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