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Wien, 14. September 2023 (aiz.info)

VÖM: Österreichische Milchprodukte sind ihren Preis wert

Nachhaltigkeit und Herkunft werden immer wichtiger

"Nach den rasanten Preis- und Kostenanstiegen im letzten Jahr infolge der Verunsicherungen durch den Ukrainekrieg hat der Milchmarkt mittlerweile wieder gedreht. Preisdruck, Inflation, allgemeine Zurückhaltung im Einkaufsverhalten, Konjunkturschwäche und anhaltend hohe Kosten bestimmen aktuell den Milchmarkt. Zunehmend wichtiger und ausgebaut werden die Nachhaltigkeits- und Qualitätsstrategie, zuletzt besonders im Tierwohlbereich", erklärte der Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM), Helmut Petschar, anlässlich der Milchwirtschaftlichen Tagung vom 14. bis 15. September in der HBLFA Tirol in Straß im Zillertal, die in Zusammenarbeit mit der Tirol Milch und der Bundesanstalt Rotholz ausgerichtet wird.
 
Das Jahr 2022 war durch stark steigende Preise und Kosten auf den Rohstoff- und Produktmärkten infolge der Verknappungen und Verunsicherungen durch den Ukrainekrieg geprägt, die auch die Milchwirtschaft mit höheren Preisen und stark steigenden Kosten erfassten. Die österreichische Milchwirtschaft konnte dabei so wie schon in der Coronazeit eine kontinuierliche Versorgung Österreichs mit hochwertigen Milchprodukten immer sicherstellen.
 
2023 haben sich die Märkte gedreht, Inflation, Kaufzurückhaltung bei den Konsumenten, gedämpfte weltweite Nachfrage und eine anhaltend hohe Kostensituation prägen die Situation am Markt. Dazu kommen Ausweitungen der Milchproduktion in wichtigen Ländern der EU, wie Deutschland, den Niederlanden oder Polen und damit der EU insgesamt, was zu rückläufigen Preisen führte.
 
Strengere Auflagen bei Bio
 
Die Milchanlieferung konnte in Österreich 2022 um 2,9% auf 3,5 Mio. t gesteigert werden, heuer lag die Anlieferung bisher zirka 1% über dem Vorjahr. Auffallend ist ein Rückgang der Biomilchanlieferung seit dem letzten Jahr. Diese fiel von 19,4 im Jahr 2021 auf mittlerweile 18,1%, dies ist aber nach wie vor mit Abstand der EU weite Spitzenwert. Ursache dafür dürften die verschärften und teils unpraktikablen Vorgaben aus der neuen EU Bio-Verordnung samt neuer Weideregelung sein.
 
Rückläufige Erzeugermilchpreise
 
Die Milcherzeugerpreise erreichten in Österreich mit Jahreswechsel ihren Höchststand, wobei dieser Spitzenwert in Österreich niedriger und auch später als z. B. in Deutschland erreicht wurde. Gründe dafür liegen in der verzögerten bzw. nur teilweisen Umsetzung der internationalen Preisentwicklung in Österreich im vergangenen Jahr, der starken Handelskonzentration und in den Produktsortimenten. Die Erzeugerpreise für gentechnikfreie, konventionelle Qualitätsmilch (4,0% Fett, 3,4% Eiweiß) beliefen sich für den Zeitraum Jänner bis Juli 2023 auf 51,35 ct/kg netto, 20,2% über dem Vorjahreswert, bzw. 61,02 ct/kg im Durchschnitt aller Qualitäten incl. USt. (2022: 52,02 ct/kg). Im Juli 2023 lagen die Werte mit 46,79 (minus 4,0%) bzw. 55,07 ct/kg (minus 4,6%), infolge der Preisrückgänge seit Beginn des Jahres erstmals unter den Preisen des Vorjahres, angesichts der anhaltend hohen Kosten eine schwierige Situation.
 
Das Jahr 2022 brachte für die Milchwirtschaft und die Milchbauern damit Umsatzausweitungen, die aber zur Abdeckung der massiv gestiegenen Kosten auf den Bauernhöfen und in der Milchverarbeitung, in der Logistik und der gestiegenen Energie- und Lohnkosten dringend gebraucht wurden. Die Milchwirtschaft hat von den gestiegenen Preisen die Gewinne nicht erhöht, das Ergebnis vor Steuern (EvS) der öst. Milchverarbeiter ist gemäß einer Hochrechnung des Revisionsverbandes des OÖ -Raiffeisenverbandes mit 0,2% bezogen auf den Umsatz weiterhin sehr knapp.
 
Die Mehreinnahmen wurden zur Abdeckung der massiv gestiegenen Kosten und zur Erhöhung der Erzeugermilchpreise für die Milchbauern, die ebenfalls mit massiven Kostensteigerungen zu kämpfen hatten, verwendet. Unterstützungsmaßnahmen der öffentlichen Hand haben in der Milchwirtschaft bisher nicht gegriffen.
 
Inflation bei Milchprodukten geringer als in anderen Ländern
 
Bestimmendes Thema im abgelaufenen Jahr war die Debatte zur Teuerung und Inflation. Infolge der internationalen Marktentwicklung kam es zunächst bei Butter, später bei Milchprodukten und Lebensmitteln generell zu überdurchschnittlichen Steigerungen und öffentlichen Diskussionen, vor allem bei den Steigerungen, nicht bei den mittlerweile bereits wieder eingetretenen Rückgängen, die bei anderen Kostenfaktoren nicht erfolgten. Eine vergleichende Analyse zeigt, dass die Teuerung bei Butter und Milchprodukten in Österreich geringer als im EU -Durchschnitt oder in Deutschland ausgefallen ist, während die Inflation insgesamt in Österreich über dem Durchschnitt lag. Über das Jahr 2022 betrug die Inflation in Österreich insgesamt 8,6%, in Deutschland 8,7% und in der EU 9,2%; für Lebensmittel 10,6% in Österreich, in Deutschland 13,2% und in der EU 12,2%; für Milchprodukte 13,7% in Österreich, in Deutschland 19,6% und in der EU 15,7%; für Butter 31,1% in Österreich und 39,6% in Deutschland.
 
Die Werte für Juli zeigen ein ähnliches Bild: Mittlerweile ist Butter z. B. um 10% billiger als vor einem Jahr und die Inflation in Österreich bei Milchprodukten ist eine der geringsten in der EU. Die geringere Inflation von Lebensmitteln und Milchprodukten in Österreich trägt massiv zur Entlastung der Gesamtinflation bei. Vorwürfe gegen angeblich zu hohe Preise für Milchprodukte entbehren daher jeder Grundlage.
 
Sparsameres Einkaufsverhalten
 
Die umfangreiche Diskussion führte neben einer allgemeinen Konjunkturverunsicherung zu einem vorsichtigeren Kaufverhalten beim Konsumenten, vor allem, was höherwertige Produkte betrifft. Den Handelsketten ist es unter dieser Konstellation gelungen, die Marktanteile für ihre Eigenmarken weiter auszubauen.
 
Im Außenhandel konnte die österreichische Milchwirtschaft weiter zulegen. Gemäß Zahlen der Statistik Austria stiegen in den ersten sechs Monaten 2023 die Exporte um 12,6%, die Importe um 8,1%, was zu einem um 20,9% höheren, positiven Handelssaldo führte.
 
Österreichische Milchwirtschaft ist sehr nachhaltig
 
Die österreichische Milchwirtschaft ist bekannt für die hohen Nachhaltigkeitsstandards: Gentechnikfreiheit seit über 10 Jahren, Gras, Silage oder Heu als wichtigste Futterbasis, Verbot von Soja aus Übersee und Palmölprodukten in der Fütterung zum Schutz des Regenwaldes, klein- und mittelbäuerlich geprägte Familienbetriebe, angepasste Zuchtleistungen, hohe Tierwohlstandards, Alm- und Weidehaltung und der EU weit höchste Bioanteil, ergeben die EU- weit besten Klimaschutzwerte gemäß Joint Research Institut der EU. Über die Rinderhaltung wird ansonsten für die menschliche Ernährung nicht nutzbare Biomasse in hochwertige Lebensmittel umgesetzt, die Landschaft erhalten und über Wiesen, Almen und Weiden die Artenvielfalt und Biodiversität gefördert. In der Milchverarbeitung wird neben Energieoptimierungen verstärkt auf eine erneuerbare und lokale Energieversorgung gesetzt, die Verpackungen werden nach ökologischen Kriterien optimiert und Maßnahmen zur Ökologisierung in der Logistik getätigt, um dadurch die Klimaschutzwerte weiter zu verbessern.
 
Aktueller Schwerpunkt sind weitere Verbesserungen beim Tierwohl, z. B das Ende der dauernden Anbindehaltung im AMA -Gütesiegel mit Ende 2023, die Entwicklung von Tierwohlprogrammen, weiters wird an einem modularen Tierwohlkennzeichnungssystem im Rahmen des AMA-Gütesiegels gearbeitet und mit dem deutschen System ITW verhandelt, um hier weiter exportieren zu können.
 
Nachhaltigkeit wird ein immer wichtigeres Kriterium bei Lebensmitteln. "Die österreichische Milchwirtschaft hat hier bereits einen sehr hohen Standard, den wir weiter ausbauen werden. Wir setzen hier auf Kooperation mit unseren Partnern im Handel, die Landwirte und die Konsumenten, diesen verantwortungsbewussten Weg mitzugehen," so Petschar.
 
Green Deal mit neuen Herausforderungen
 
Mit der Umsetzung des Green Deals der EU kommen viele gesetzliche Umwelt- und klimapolitische Verschärfungen auf die Milchwirtschaft zu, die zu mehr Bürokratie, Mehrkosten und Beschränkungen in der Produktion und Verarbeitung führen werden. Hier geht es darum die richtige Balance zu finden, es darf jedenfalls nicht passieren, dass die Produktion in der EU reduziert und dafür über neue Handelsabkommen, wie zuletzt mit Neuseeland oder Mercosur zusätzliche Importmengen mit schlechteren Klimastandards ins Land kommen.
 
Ein wichtiger Baustein ist daher eine möglichst breite Einführung der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung. Nur dadurch wird es für Konsumenten möglich sein, fundierte Kaufentscheidungen zu treffen, zumal die Herkunft die Summe der nationalen Standards bedeutet. Milch ist ein hervorragendes Lebensmittel, das durch Imitate nicht ersetzt werden kann. Daher sind Versuche Imitate als "Milch" zu bezeichnen auch weiterhin entschieden abzuwehren. Dem Lebensmittel Milch ist vielmehr in der Ernährungspolitik ein hoher Stellenwert einzuräumen.
 
Gegen EU-Vorschläge zur Neuen Gentechnik
 
Im Bereich Gentechnik hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Neuen Gentechnik vorgelegt. Dieser sieht eine weitreichende Liberalisierung der Neuen Gentechnik mit weitgehendem Verzicht auf Kennzeichnung und Zulassung sowie Patentierung vor. Österreichs Milchwirtschaft ist gentechnikfrei und hat den EU-weit höchsten Bioanteil. Mit diesem Vorschlag wäre die "Gentechnikfreiheit" ernsthaft gefährdet. Eine aktuelle Umfrage der Arge Gentechnikfreiheit hat eine große Ablehnung der Österreicher zur Neuen Gentechnik in Lebensmitteln gezeigt. Die österreichische Milchwirtschaft möchte weiterhin gentechnikfrei bleiben und hofft daher, dass dazu passende rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen und diese EU-Vorschläge grundlegend überarbeitet werden.
 
"Für ein Gebirgsland wie Österreich ist die Milchwirtschaft eine unverzichtbare Schlüsselproduktion mit vielen positiven, regionalen, wirtschaftlichen und ökologischen Vorteilen, sie ist zudem ein prägender Bestandteil der kulturellen Identität und ein wichtiger Beitrag zur Ernährungssicherheit", schloss Petschar. (Schluss)
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