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Wien, 4. August 2023 (aiz.info)

Obst-, Gemüse- und Gartenbau warnt vor steigender Importabhängigkeit durch SUR

Offener Brief an diverse Entscheidungsträger - kaum mehr Schutzmöglichkeiten für Ernte

Vor einem dramatischen Verlust an Schutzmöglichkeiten für ihre Ernteprodukte warnt nun auch die Obst-, Gemüse- und Gartenbaubranche in einem offenen Brief an diverse Mitglieder des Europäischen Parlaments, die EU-Kommission, den Landwirtschaftsminister und den EU-Bauern- und Genossenschaftsverband COPA/COGECA. In ihrem Schreiben thematisieren die Landwirtschaftskammer (LK) Österreich, der Österreichische Branchenverband für Obst und Gemüse (ÖBOG) und der Bundesverband der Österreichischen Gärtner die anhaltend intensiven Expertendiskussionen über den Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) - samt kürzlich präsentierter Folgenabschätzung. Sie fordern die angeschriebenen Entscheidungsträger:innen auf, ihre massiven Bedenken bezüglich Versorgungssicherheit ernstzunehmen und unterbreiten auch konkrete Verbesserungsvorschläge auf EU-Ebene.

Krasse Widersprüche in den Zielen der EU-Kommission

"Jede Maßnahme, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren kann, ohne Qualität, Ertrag und Versorgung zu reduzieren, ist grundsätzlich zu begrüßen. Phantasielose, pauschale oder gar ideologisch motivierte Minderungsziele, wie sie im EU-Kommissionsvorschlag enthalten sind, werden diesem Ziel aber keinesfalls gerecht. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass wir die autonome Versorgung der europäischen Bevölkerung mit wichtigen Lebensmitteln nicht mehr sicherstellen können", warnt LK Österreich-Präsident Josef Moosbrugger. "Das widerspricht auch ganz klar den europäischen Zielen nach verbesserter regionaler Versorgung und Klimaschutz. Europa darf sich nicht durch eine verfehlte, widersprüchliche Politik selbst in eine noch größere Abhängigkeit manövrieren. Was bei Gas und Energie passiert ist, darf sich bei Lebensmitteln keinesfalls wiederholen", so der LK Österreich-Präsident.

"Die zahlreichen bisherigen Studien dürfen auch nicht leichtfertig vom Tisch gewischt werden, sondern sind ernst zu nehmen. Die Wettbewerbssituation unserer bäuerlichen Familienbetriebe zu schwächen, die Situation für die Bevölkerung zu verschlechtern und auch Umwelt und Klima durch noch mehr Importe zu schädigen, kann nicht das Ziel der EU sein", kritisiert der Moosbrugger. Laut einem Gutachten der Fachhochschule Südwestfalen, Soest, droht sogar eine Ertrags- und Einkommensminderung im Gemüsebau von bis zu 75%. Schon jetzt beträgt der Selbstversorgungsgrad Österreichs (2021) bei Gemüse lediglich 58% und bei Obst 48%.

Wirkstoffverluste als Problem Nr. 1 - keine Verbote ohne Alternativen

Die LK Österreich, der ÖBOG und der Bundesverband der Österreichischen Gärtner schlagen daher u.a. vor, die seit 2017 erreichten Verbesserungen anzuerkennen. Die Definition der sensiblen Gebiete ist demnach grundlegend zu überdenken, da diese ein Ende des Gartenbaus in seiner jetzigen Form bedeuten würde. Ein Fokus ist auch auf das bereits bestehende Substitutionsprinzip im Pflanzenschutzbereich zu legen - allerdings nach dem Motto: keine Verbote ohne Alternativen.

"Das größte Problem sind aber die Wirkstoffverluste: Von den ursprünglich 900 Wirkstoffen vor zehn Jahren sind derzeit noch 400 übrig - Tendenz weiter fallend. Die Folge sind gerade bei den Sonderkulturen eklatante Bekämpfungslücken und zunehmende Resistenzerscheinungen bei den Schaderregern", warnen die drei Organisationen in ihrem offenen Brief.

Forschung forcieren, Alternativen entwickeln - gerade bei Spezialkulturen

"Diesem Bedarf an Ersatz-Wirkstoffen sind verstärkte Anstrengungen bei der Entwicklung von Alternativen durch eine noch intensivere, entsprechend geförderte Forschung entgegenzusetzen", fordern LKÖ, ÖBOG und Gärtnerverband. Besonderes Augenmerk sei, wie auch die Studien zeigen, auf die Sondersituation bei den Spezialkulturen zu richten, welche jetzt schon am meisten vom Mangel an Schutzmöglichkeiten betroffen sind.

Doch auch die Vorgangsweise Brüssels selbst wird kritisiert. "Die erweiterte Folgenabschätzung der EU-Kommission gibt bei weitem nicht ausreichend Antworten, die von so etwas eigentlich erwartet werden sollten. Die EU-Kommission muss daher seriöse Studien in den Mitgliedsstaaten beauftragen, mit welchen Verlusten von Wirkstoffen bzw. Pflanzenschutzmitteln in den nächsten zehn Jahren zu rechnen ist. Sie muss beantworten können, wie dieser Mangel mit alternativen Bekämpfungslösungen kompensiert werden kann", fordert Moosbrugger gemäß Brief, der auf aiz.info heruntergeladen werden kann.

Noch mehr Bürokratie-Belastung bei der Dokumentation der Pflanzenschutzmittel-Anwendung wird nachdrücklich abgelehnt. Österreich gehört beim Integrierten Pflanzenschutz im Rahmen der Integrierten Produktion in der EU bereits jetzt zu den Vorreitern unter den Mitgliedsstaaten. Der Umfang der dafür verlangten Dokumentation hat bereits jetzt ein maximal zumutbares Ausmaß erreicht, so die drei Organisationen.

(Schluss) jun
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