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Hannover, 23. Februar 2023 (aiz.info)

DLG-Wintertagung: Nachhaltigkeitskonzepte in der Landwirtschaft fortführen

Paetow: Erträge aber nicht übermäßig einschränken

Zur Eröffnung der Wintertagung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) appellierte deren Präsident Hubertus Paetow, die Konzepte für eine nachhaltige Entwicklung in der Landwirtschaft fortzuführen. "Meine Antwort auf die Fragestellung der Veranstaltung ist: Stetig neubewerten, Bewährtes weiterführen, aus Fehlentwicklungen lernen und auf keinen Fall das wertvolle Konzept nachhaltiger Entwicklung aufgeben", sagte Paetow vor den über 900 Besuchern in der Hauptveranstaltung.
 
Paetow riet, sich nicht vom medialen Alarmismus treiben zu lassen, sondern die Krisensituation sachlich und von Emotionen und Ideologien befreit einzuordnen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Krisen bzw. entscheidende Wendungen entstünden vor allem dann, wenn die Defizite eines Systems nicht mehr kompensiert werden könnten. Krisen sollten als Kompass verstanden werden, der Missstände gewohnter Abläufe zum Ausdruck bringe. Es brauche Krisen, um Praktiken, Vorgehensweisen und Ausrichtungen zu hinterfragen und neu zu justieren, so der DLG-Präsident.
 
Die aktuelle Situation gehöre zu den dynamischen Entwicklungen, auf die sich ein funktionierendes Nachhaltigkeitskonzept einstellen müsse. Auf keinen Fall sei eine Situation wie heute ein Grund, das gesamte Konzept der umfassenden Nachhaltigkeit infrage zu stellen.
 
Durch den Exportstopp landwirtschaftlicher Erzeugnisse infolge des Ukrainekriegs seien Stimmen einer weltweiten Ernährungskrise laut geworden. Auch die aktuelle Preisentwicklung gebe Anlass zur Sorge, insbesondere aus Sicht der ärmeren Länder des globalen Südens, die auf Nahrungsmittelimporte zwingend angewiesen sind. Diese Situation ändere aber nichts an der Notwendigkeit, die Systeme auch hierzulande so zu gestalten, dass die natürlichen Ressourcen nicht dauerhaft beeinträchtigt werden. "Artenvielfalt und Klimaschutz sind nach wie vor unabdingbare Voraussetzungen für eine erfolgreiche zukünftige Produktion", betonte Paetow.
 
Was sich aber schon ändere, sei die unternehmerische Beurteilung der Alternativen, wenn es um eine nachhaltige Weiterentwicklung auf dem Betrieb gehe. "Wenn zum Beispiel für die Verbesserung des Artenschutzes mehrere Maßnahmen zur Auswahl stehen, so ist unter den heutigen Vorzeichen diejenige als nachhaltiger zu beurteilen, die bei ähnlich positiver Wirkung auf die Biodiversität mit dem geringsten Ertragsrückgang verbunden ist", sagte der DLG-Präsident. Und das sei aktuell nicht die Umstellung auf Biolandbau, sondern eher eine produktionsintegrierte Reduktion von Pflanzenschutzmitteln auf der Basis innovativer Verfahren.
 
Nachhaltigkeit ist in allen Agrarbereichen ein Thema
 
Stephan von Cramon-Taubadel, Professor für Agrarpolitik an der Georg-August-Universität Göttingen, betonte in seinem Vortrag, dass es schwer vorherzusehen sei, inwieweit die Umsetzung der nationalen Strategiepläne und der Eco-Schemes zur Erreichung der Green Deal- und speziell der Farm to Fork-Ziele beitragen werde. Sicher sei nur: Wenn Ziele wie z. B. 25% Biofläche bis 2030 auch nur annähernd erreicht werden sollten, dann müsse agrarpolitisch noch einiges draufgelegt werden. Cramon-Taubadel vermutet jedoch, dass die agrarpolitischen Entscheidungsträger momentan keine große Lust verspürten, Fässer wieder aufzumachen; sie müssen zunächst schauen, dass die 2021 beschlossene Reform umgesetzt wird.
 
Rainer Langner, Vorstandsvorsitzender der Vereinigten Hagelversicherung, schilderte in seinem Vortrag "Sustainable Finance - Strategien zukünftiger Geschäftsbeziehungen" die Auswirkungen, die durch die Regeln der EU-Taxonomie für das landwirtschaftliche Unternehmen zu erwarten sind. Im "Green Deal" spiele unter anderem auch der Finanzsektor eine Rolle. In der EU-Taxonomieverordnung gebe es sechs Ziele, die erreicht werden müssen. Zwei davon, nämlich der Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel seien bereits festgelegt. Die Auswirkungen seien, dass Versicherer und auch die Banken in der nicht finanziellen Berichterstattung zunehmend auch darlegen und offenlegen müssten, wie sie Themen wie Nachhaltigkeit angehen und was sie dafür tun. Es betreffe zwei Bereiche, einmal den Bereich der Kapitalanlage, aber auch den anderen Bereich der Finanzierung und der Versicherung. Das wird Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Versicherungen und Banken haben. Die Branche müsse sich jetzt damit intensiv beschäftigen.
 
Laut Birthe Lassen vom Thünen Institut für Betriebswirtschaft gebe es Nachhaltigkeit nicht einfach in den Farben Schwarz-Weiß. Nachhaltigkeit in der Milchviehhaltung sei ein Thema, das so vielfältig wäre, wie die Milchviehbetriebe selbst. Als Milchviehbetrieb sei man nicht einfach "nachhaltig" oder "nicht nachhaltig". Alle Betriebe hätten Bereiche, in denen sie schon heute nachhaltig aufgestellt sind, während es in anderen Bereichen Optimierungspotenziale gebe. Jeder Milchviehbetrieb sei einzigartig und habe unterschiedliche Möglichkeiten der Anpassung, die genutzt werden müssten: Für noch mehr nachhaltige Milch und um die Wettbewerbsfähigkeit der Milcherzeugung in Deutschland zu erhalten.
 
Bianca Lind, ESG-Koordinatorin bei der AGRAVIS Raiffeisen AG, meinte, die Umsetzung des europäischen Green Deals werde die Agrarbranche verändern. Die Unternehmen seien gezwungen, ihre nachhaltigen Aktivitäten transparent zu dokumentieren. Es müssten neue Informationen erfasst, verarbeitet und in Kennzahlen abgebildet werden. Außerdem werde der Druck höher, sich Ziele zu setzen und diese zu erreichen. Auch wenn viele Informationen bereits in Unternehmen vorhanden sind, sei die Dokumentation aufwendig und würde knappe Ressourcen in Anspruch nehmen. Die Kunst werde es sein, Kennzahlen und Ziele zur Steuerung des Unternehmens zu nutzen, um es in eine nachhaltige Zukunft zu führen.
 
Für Landwirt Jörg Schrieber ist die Landwirtschaft grundsätzlich nachhaltig. Landwirte produzierten eine Grundlage fürs Leben: Nahrungsmittel. Existenziell für die Betriebe sei aber immer die Betrachtung aller drei Säulen der Nachhaltigkeit, Ökologie sowie Ökonomie und Soziales, nicht nur einzelne Aspekte. Darüber müsse man reden und sich austauschen. Die Landtechnikindustrie sollte einheitliche Lösungen zum Datenaustausch zu Dokumentationszwecken anbieten, um den Aufwand dafür zu verringern. 
(Schluss)
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