Almwirtschaft zwischen Ökologie, Ökonomie und Tourismus
Die oberösterreichischen Almbewirtschafter freuen sich über Besucher
Die Almwirtschaft in Oberösterreich ist mehr als nur ein landschaftliches Idyll – sie ist ein ökologisches, wirtschaftliches und kulturelles Fundament des ländlichen Raums. Doch dieses Fundament gerät zunehmend unter Druck. Die aktuellen Zahlen zeigen einen fortschreitenden Rückgang bei den Auftreibern: Von 606 im Jahr 2023 auf 584 im Jahr 2024. Auch die Zahl der aufgetriebenen Großvieheinheiten (GVE) ist leicht gesunken – um 37 auf nunmehr 3.688. Gleichzeitig stieg die förderfähige Almfläche um 27 Hektar leicht auf 4.530 Hektar. Die Zahl der bewirtschafteten Almen ist mit aktuell rund 426 Almen, die im Almkataster verzeichnet sind, stabil.
„Die Almwirtschaft ist ein Bollwerk gegen Verwaldung, Biodiversitätsverlust und Klimawandel. Doch sie braucht Menschen, die sie betreiben – und politische Rahmenbedingungen, die sie stützen. Almen sind außerdem wichtig für den Erhalt der Kulturlandschaft. Unsere Almbewirtschafter betreuen nicht nur die Tiere auf der Alm, sondern freuen sich auch über Wanderer und Besucher, die das gute, regionale Essen auf den Hütten genießen“, sagt Landwirtschaftskammer Oberösterreich-Präsident Franz Waldenberger.
Arbeit auf der Alm ist personalintensiv
Trotz sinkender Auftriebszahlen gibt es auch erfreuliche Entwicklungen. Das Interesse, auf einer Alm zu arbeiten, ist gestiegen. Immer mehr Interessierte engagieren sich als Saisonkräfte. „Wir sehen, dass die Almwirtschaft lebt – wenn die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Da die Zahl der Bäuerinnen und Bauern, die Tiere auf die Alm bringen, sinkt, steht auch für die Bewältigung der Arbeiten auf der Alm weniger Personal zur Verfügung. Für die Hüttenbewirtschaftung und die Viehbetreuung wird aber zusätzliches Personal benötigt und da sind wir froh um praktisch veranlagte Menschen, die im Sommer längerfristig auf den Almen mithelfen“, so Waldenberger.
Ausgleichszahlungen: Motivation, um Tiere auf die Alm zu bringen
Als Motivationsfaktor zum Almviehauftrieb sind die Ausgleichszahlungen an den Viehauftrieb gekoppelt, egal ob die Tiere aus dem Berggebiet oder dem Flachland stammen. Um Angebot und Nachfrage von Almbewirtschaftern und Bauern, die ihre Tiere auf die Alm bringen wollen, zusammenzubringen ist unter www.almwirtschaft.com eine Onlinebörse eingerichtet.
Die Onlinebörse unter www.almwirtschaft.com gilt auch für Interessierte, die auf den Almen arbeiten wollen, sowie für Almbewirtschafter, die Arbeitskräfte suchen. Gesucht werden vor allem Personen, die eine ganze Saison bei der Arbeit auf einer Alm verbringen wollen. Auch die Almberatung der Landwirtschaftskammer OÖ hilft dabei, wenn jemand Interesse hat, Tiere auf die Almen bringen zu lassen oder dort arbeiten möchte.
Almen als Klimaschützer und Biodiversitätsreservoir
Die Bedeutung der Almwirtschaft für den Klimaschutz ist wissenschaftlich belegt. Almböden speichern durch ihren hohen Humusgehalt mehr Kohlenstoff als Waldböden. Gleichzeitig sind bewirtschaftete Almflächen Hotspots der Artenvielfalt. Mehrere hundert Pflanzenarten und zahlreiche Tierarten finden hier ihren Lebensraum – ein Reichtum, der bei zu geringer Nutzung durch Verbuschung und Verwaldung bedroht ist.
„Die Alm ist ein lebendiger Organismus. Wenn wir sie nicht pflegen, stirbt sie – und mit ihr ein Stück unserer ökologischen Identität. Der Weidegang ist jene Art der Tierhaltung, die der Natur am nächsten ist. Auf den Almen werden hochwertige Lebensmittel und Zuchttiere gewonnen. Die Almen haben auch einen enormen wirtschaftlichen Wert für den Ausflugstourismus. Wie für jeden Wirtschaftszweig gilt aber auch für die Almwirtschaft, dass der Ertrag höher sein muss als der Aufwand, damit sich der Erhalt dieses Zweigs der Erwerbskombination für die Bäuerinnen und Bauern auch betriebswirtschaftlich lohnt“, so Waldenberger.
EU-Entwaldungsverordnung: Bürokratie statt Naturschutz
Ein aktuelles Beispiel für die Belastung der bäuerlichen Betriebe ist die neue EU-Entwaldungsverordnung. Obwohl in Österreich die Waldfläche seit Jahren zunimmt und Rodungen nur mit behördlicher Genehmigung möglich sind, verlangt die Verordnung künftig von den Landwirten den Nachweis, dass ihre Rinderhaltung nicht zur Entwaldung beiträgt.
„Das ist eine absurde Bürokratie. Die Almwirtschaft verhindert Verwaldung – und wird gleichzeitig mit Entwaldungsnachweisen belastet. Das zeigt, wie weit manche EU-Regelungen von der Realität entfernt sind“, kritisiert Waldenberger.
Wolf: Schutzstatus gesenkt – Hoffnung auf praktikable Lösungen
Ein zentrales Thema bleibt die Rückkehr des Wolfes. Die Landwirtschaftskammer OÖ begrüßt die Senkung des EU-Schutzstatus‘ des Wolfes von „streng geschützt“ auf „geschützt“ und auch die Wolfsmanagementverordnung des Landes, die klare Kriterien für die Entnahme von Schadwölfen definiert. „Das Bemühen der landwirtschaftlichen Interessenvertretung und eine länderübergreifende Diskussion mit den EU-Behörden waren maßgeblich für diese Änderungen“, erläutert Waldenberger.
Damit wird die Entnahme von Problemwölfen erleichtert und die Interessen der Landwirtschaft werden besser berücksichtigt. Denn die Praxis zeigt: Die Scheu der Tiere vor dem Menschen nimmt ab, die Zahl der Sichtungen steigt, und die Gefahr für Nutztiere und Menschen wächst.
Die Rückkehr des Wolfs ist Realität. Mit vier Rudeln, rund 30 Wölfen, die sich im Bundesland aufhalten und über 260 Sichtungsmeldungen seit 2023 ist der Beutegreifer kein seltenes Phänomen mehr. Bisher waren bei uns Nutztierrisse überschaubar. Aber in der für Oberösterreich am meisten betroffenen Region an der Grenze zu Niederösterreich und Tschechien kam es in der Nacht vom 12. auf den 13. August zu einem Vorfall im eigenen Bundesland. 10 Schafe wurden auf der Weide getötet, eines wurde vermisst. Laut erster Beurteilung der Wolfsbeauftragten ist dieser Vorfall Wölfen zuzuordnen. Ein DNA-Nachweis ist in Bearbeitung.
Das Land OÖ lässt betroffene Tierhalter nicht alleine und bezuschusst Herdenschutzmaßnahmen. Die Erfahrungen aus Deutschland haben gezeigt, dass ein „Aufrüsten der Weidezäune“ das Problem nicht lösen kann. Die Wolfsentnahmen in Kärnten, einem Bundesland das bisher sehr viele Wolfsübergriffe hatte, haben gezeigt, dass die Anzahl die Nutztierrisse verringert werden konnte. Die Scheu des Wolfes vor dem Menschen ist wichtig, damit die Wölfe von den Siedlungsgebieten und den landwirtschaftlichen Nutztieren Abstand halten“, ist Waldenberger überzeugt.
Appell an die Politik: Perspektiven schaffen
Die Almwirtschaft braucht ein klares Bekenntnis zur Kombinationshaltung – also die Kombination von Stall- und Weidehaltung – zur Verbindung von Viehhaltung und Almwirtschaft. Sie braucht Fördermodelle, die den tatsächlichen Aufwand abbilden, und sie braucht Schutz vor überbordender Bürokratie und realer Bedrohung durch Großraubtiere.
„Wenn wir wollen, dass die Almwirtschaft auch in zehn Jahren noch existiert und dass die für den Tourismus so wichtige Almenlandschaft erhalten bleibt, müssen wir heute handeln. Nicht mit Sonntagsreden, sondern mit konkreten Maßnahmen. Dazu gehört zum Beispiel auch die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel im Handel und in der Gastronomie. Denn nur wenn die Konsumenten wissen, unter welchen Bedingungen ihre Lebensmittel hergestellt werden, sind sie eher auch bereit, dafür einen entsprechenden Preis zu bezahlen“, appelliert Waldenberger.
Almwirtschaft braucht Schutz und Respekt – für Mensch, Tier und Landschaft
Die Almwirtschaft in Oberösterreich steht nicht nur unter dem Eindruck der Rückkehr des Wolfes, sondern auch vor der Herausforderung, das Miteinander von Mensch und Tier in sensiblen Naturräumen zu gestalten. Der OÖ Verein für Alm und Weide beobachtet die Entwicklungen auf den Almen genau – und sieht dringenden Handlungsbedarf.
„Die Offenhaltung der Almflächen ist für uns nicht nur eine Frage der Landwirtschaft, sondern eine Frage der Kulturpflege. Wenn die Almen verbuschen, verlieren wir nicht nur Weideflächen, sondern auch ein Stück Heimat“, betont Johann Feßl, Obmann des OÖ Vereins für Alm und Weide.
Die Wandersaison 2025 begann früh und dauert voraussichtlich bis in den Spätherbst. Herausfordernd war es heuer im Frühling, nach dem Schlechtwettereinbruch im letzten Herbst, das viele Schadholz aufzuarbeiten. Bei derartigen Situationen ist es wichtig, dass die Almbesucher mögliche Gefahren durch die Waldarbeit ernst nehmen. Die verregneten Wochen im Juli brachten Ruhe auf den Almen, aber auch Wasser für reichlichen Futterwuchs.
„Wir erwarten, dass der kommende Herbst wieder die Zeit zum Wandern auf Oberösterreichs Almen wird. Die Hüttenbewirtschafter freuen sich, mit einer g‘schmackigen Jause und bäuerlichen Mehlspeisen den Naturgenuss auch auf der Zunge bewusst machen zu können“, lädt Feßl dazu ein, den Wanderherbst auf den Almen zu genießen.
Achtsamer Umgang mit dem Weidevieh
Mit dem steigenden Besucheraufkommen wächst die Zahl der Begegnungen zwischen Wanderern und Weidevieh. Leider kam es in Österreich bereits zu mehreren Unfällen – oft ausgelöst durch Unwissenheit oder Unachtsamkeit.
„Rinder, Schafe und Pferde sind keine Kulisse, sondern Lebewesen mit natürlichen Reaktionen. Wer mit einem Hund unterwegs ist, muss wissen, dass Weidetiere diesen als Bedrohung wahrnehmen können“, warnt Feßl.
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Tiere neugierig werden oder sich Wanderern nähern. Ein Holzstock kann helfen, Distanz zu wahren. Die wichtigsten Verhaltensregeln sind unter www.sichere-almen.at abrufbar.
Initiative „In unserer Natur“ und Trainerschulung
Die Initiative „In unserer Natur“ ist ein Zusammenschluss von Landesregierungsressorts, Landwirtschaftskammer OÖ und alpinen Organisationen, die sich für ein respektvolles und sicheres Verhalten in der Natur einsetzen. Auf Anfrage des OÖ Alpenvereins organisiert das Ländliche Fortbildungsinstitut der Landwirtschaftskammer OÖ, LFI, am 3. September eine Trainerschulung zum Thema „Begegnung mit Weidevieh auf Almen und Wanderwegen“ auf der Puglalm in Rosenau am Hengstpass. „In diesem eintägigen Kurs wird den Teilnehmenden vermittelt, wie man sich bei einer Begegnung mit Weidevieh richtig verhält, nämlich ruhig, sicher und respektvoll. Wir setzen auf Information statt Konfrontation. Wer versteht, wie Tiere reagieren, kann Konflikte vermeiden“, so Feßl.
Anmeldungen sind unter ooe.lfi.at möglich.
Müll wieder mit ins Tal nehmen
Feßl verweist auf einen weiteren Aspekt, der den Almbewirtschaftern wichtig ist: Es gibt auf dem Berg keine Müllabfuhr, entsprechend wichtig ist es, dass die Besucherinnen und Besucher ihren Müll wieder mit ins Tal nehmen. „Die Verrottungszeiten sind extrem lang. Sogar ein Papiertaschentuch braucht bis zu fünf Jahre, um zersetzt zu werden, eine Plastikflasche bis zu 5.000 Jahre und es können auch Weichmacher in die Umwelt gelangen. Die meisten Wanderer nehmen zwar ihren Müll wieder mit, aber es bleibt genug liegen, dass regelmäßige Sammelaktionen und Kampagnen notwendig sind.
Wolf: Neue rechtliche Grundlage – aber Herausforderungen bleiben
Auch für den OÖ Verein für Alm und Weide steht fest: Die Almwirtschaft darf nicht der Wiederansiedlung von Großraubtieren geopfert werden. Die Erfahrungen aus Tirol, Kärnten und Salzburg zeigen, dass die Ausbreitung der Wolfspopulation bereits zur Aufgabe zahlreicher Almbetriebe geführt hat. Feßl betrachtet die Herabstufung des Schutzstatus‘ des Wolfes durch das Europäische Parlament als einen wichtigen Schritt, dem jetzt die praktische Umsetzung folgen muss.
„Besonders problematisch ist für uns die Forderung mancher Wolfsbefürworter, dass die Bäuerinnen und Bauern die Schutzmaßnahmen unabhängig von Machbarkeit oder Wirtschaftlichkeit umsetzen sollten. Eine wolfssichere Zäunung ist aufgrund der Geländegegebenheiten von gar nicht bis nur äußerst schwer machbar. Etwaige zusätzliche Kosten und notwendiger personeller Aufwand können nicht gedeckt werden. Die Anschaffung, Ausbildung und laufende Betreuung von Herdenschutzhunden ist teuer und zeitintensiv. Der günstige Erhaltungszustand des Wolfes ist nun in Europa erreicht. Ein staatenübergreifendes Monitoring würde dies belegen. Almen und Weiden sind auf Grund der natürlichen Topographie schwer zu schützen. Die OÖ Wolfmanagementverordnung stellt sicher, dass zur Abwendung von erheblichen Schäden an landwirtschaftlichen Nutztieren eingegriffen werden kann“, resümiert Feßl.
Almabtrieb als Zeichen gelebter Almwirtschaft
Am 27. September 2025 lädt die Weidegenossenschaft Molln ab 10 Uhr zum 12. öffentlichen Almabtrieb von der Brettmaisalm (neben der Grünburgerhütte) in Steinbach an der Steyr. Gegen 11.15 Uhr wird das Almvieh beim „Kremesbichler“ im Dorngraben beim Festzelt erwartet. Dieses Fest ist nicht nur ein kulturelles Highlight, sondern auch ein Symbol für die Bedeutung der Almwirtschaft.
„Der Almabtrieb zeigt, was unsere Almen leisten – für die Landwirtschaft, für die Natur und für die Gesellschaft. Die Alm ist kein Selbstläufer: Sie braucht Menschen, die gerne dort arbeiten und eine Gesellschaft, die ihren Wert erkennt“, sagt Feßl.
Einen Überblick über Oberösterreichs Almen verschafft die Homepage www.almanach-oberoesterreich.at. Dort werden nicht nur sämtliche Almen und Wanderrouten des Bundeslandes dargestellt, sondern man erfährt auch allerhand Wissenswertes über die Almen.
Die Homepage www.unsere-almen.at ist ein Portal für alle, die von und mit der Alm leben. Das Internet-Portal bietet spannende Einblicke in den Almalltag, die Bewirtschaftungsformen, Brauchtum, Geschichte, Tierwohl und Tiergesundheit. (Schluss)
„Die Almwirtschaft ist ein Bollwerk gegen Verwaldung, Biodiversitätsverlust und Klimawandel. Doch sie braucht Menschen, die sie betreiben – und politische Rahmenbedingungen, die sie stützen. Almen sind außerdem wichtig für den Erhalt der Kulturlandschaft. Unsere Almbewirtschafter betreuen nicht nur die Tiere auf der Alm, sondern freuen sich auch über Wanderer und Besucher, die das gute, regionale Essen auf den Hütten genießen“, sagt Landwirtschaftskammer Oberösterreich-Präsident Franz Waldenberger.
Arbeit auf der Alm ist personalintensiv
Trotz sinkender Auftriebszahlen gibt es auch erfreuliche Entwicklungen. Das Interesse, auf einer Alm zu arbeiten, ist gestiegen. Immer mehr Interessierte engagieren sich als Saisonkräfte. „Wir sehen, dass die Almwirtschaft lebt – wenn die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Da die Zahl der Bäuerinnen und Bauern, die Tiere auf die Alm bringen, sinkt, steht auch für die Bewältigung der Arbeiten auf der Alm weniger Personal zur Verfügung. Für die Hüttenbewirtschaftung und die Viehbetreuung wird aber zusätzliches Personal benötigt und da sind wir froh um praktisch veranlagte Menschen, die im Sommer längerfristig auf den Almen mithelfen“, so Waldenberger.
Ausgleichszahlungen: Motivation, um Tiere auf die Alm zu bringen
Als Motivationsfaktor zum Almviehauftrieb sind die Ausgleichszahlungen an den Viehauftrieb gekoppelt, egal ob die Tiere aus dem Berggebiet oder dem Flachland stammen. Um Angebot und Nachfrage von Almbewirtschaftern und Bauern, die ihre Tiere auf die Alm bringen wollen, zusammenzubringen ist unter www.almwirtschaft.com eine Onlinebörse eingerichtet.
Die Onlinebörse unter www.almwirtschaft.com gilt auch für Interessierte, die auf den Almen arbeiten wollen, sowie für Almbewirtschafter, die Arbeitskräfte suchen. Gesucht werden vor allem Personen, die eine ganze Saison bei der Arbeit auf einer Alm verbringen wollen. Auch die Almberatung der Landwirtschaftskammer OÖ hilft dabei, wenn jemand Interesse hat, Tiere auf die Almen bringen zu lassen oder dort arbeiten möchte.
Almen als Klimaschützer und Biodiversitätsreservoir
Die Bedeutung der Almwirtschaft für den Klimaschutz ist wissenschaftlich belegt. Almböden speichern durch ihren hohen Humusgehalt mehr Kohlenstoff als Waldböden. Gleichzeitig sind bewirtschaftete Almflächen Hotspots der Artenvielfalt. Mehrere hundert Pflanzenarten und zahlreiche Tierarten finden hier ihren Lebensraum – ein Reichtum, der bei zu geringer Nutzung durch Verbuschung und Verwaldung bedroht ist.
„Die Alm ist ein lebendiger Organismus. Wenn wir sie nicht pflegen, stirbt sie – und mit ihr ein Stück unserer ökologischen Identität. Der Weidegang ist jene Art der Tierhaltung, die der Natur am nächsten ist. Auf den Almen werden hochwertige Lebensmittel und Zuchttiere gewonnen. Die Almen haben auch einen enormen wirtschaftlichen Wert für den Ausflugstourismus. Wie für jeden Wirtschaftszweig gilt aber auch für die Almwirtschaft, dass der Ertrag höher sein muss als der Aufwand, damit sich der Erhalt dieses Zweigs der Erwerbskombination für die Bäuerinnen und Bauern auch betriebswirtschaftlich lohnt“, so Waldenberger.
EU-Entwaldungsverordnung: Bürokratie statt Naturschutz
Ein aktuelles Beispiel für die Belastung der bäuerlichen Betriebe ist die neue EU-Entwaldungsverordnung. Obwohl in Österreich die Waldfläche seit Jahren zunimmt und Rodungen nur mit behördlicher Genehmigung möglich sind, verlangt die Verordnung künftig von den Landwirten den Nachweis, dass ihre Rinderhaltung nicht zur Entwaldung beiträgt.
„Das ist eine absurde Bürokratie. Die Almwirtschaft verhindert Verwaldung – und wird gleichzeitig mit Entwaldungsnachweisen belastet. Das zeigt, wie weit manche EU-Regelungen von der Realität entfernt sind“, kritisiert Waldenberger.
Wolf: Schutzstatus gesenkt – Hoffnung auf praktikable Lösungen
Ein zentrales Thema bleibt die Rückkehr des Wolfes. Die Landwirtschaftskammer OÖ begrüßt die Senkung des EU-Schutzstatus‘ des Wolfes von „streng geschützt“ auf „geschützt“ und auch die Wolfsmanagementverordnung des Landes, die klare Kriterien für die Entnahme von Schadwölfen definiert. „Das Bemühen der landwirtschaftlichen Interessenvertretung und eine länderübergreifende Diskussion mit den EU-Behörden waren maßgeblich für diese Änderungen“, erläutert Waldenberger.
Damit wird die Entnahme von Problemwölfen erleichtert und die Interessen der Landwirtschaft werden besser berücksichtigt. Denn die Praxis zeigt: Die Scheu der Tiere vor dem Menschen nimmt ab, die Zahl der Sichtungen steigt, und die Gefahr für Nutztiere und Menschen wächst.
Die Rückkehr des Wolfs ist Realität. Mit vier Rudeln, rund 30 Wölfen, die sich im Bundesland aufhalten und über 260 Sichtungsmeldungen seit 2023 ist der Beutegreifer kein seltenes Phänomen mehr. Bisher waren bei uns Nutztierrisse überschaubar. Aber in der für Oberösterreich am meisten betroffenen Region an der Grenze zu Niederösterreich und Tschechien kam es in der Nacht vom 12. auf den 13. August zu einem Vorfall im eigenen Bundesland. 10 Schafe wurden auf der Weide getötet, eines wurde vermisst. Laut erster Beurteilung der Wolfsbeauftragten ist dieser Vorfall Wölfen zuzuordnen. Ein DNA-Nachweis ist in Bearbeitung.
Das Land OÖ lässt betroffene Tierhalter nicht alleine und bezuschusst Herdenschutzmaßnahmen. Die Erfahrungen aus Deutschland haben gezeigt, dass ein „Aufrüsten der Weidezäune“ das Problem nicht lösen kann. Die Wolfsentnahmen in Kärnten, einem Bundesland das bisher sehr viele Wolfsübergriffe hatte, haben gezeigt, dass die Anzahl die Nutztierrisse verringert werden konnte. Die Scheu des Wolfes vor dem Menschen ist wichtig, damit die Wölfe von den Siedlungsgebieten und den landwirtschaftlichen Nutztieren Abstand halten“, ist Waldenberger überzeugt.
Appell an die Politik: Perspektiven schaffen
Die Almwirtschaft braucht ein klares Bekenntnis zur Kombinationshaltung – also die Kombination von Stall- und Weidehaltung – zur Verbindung von Viehhaltung und Almwirtschaft. Sie braucht Fördermodelle, die den tatsächlichen Aufwand abbilden, und sie braucht Schutz vor überbordender Bürokratie und realer Bedrohung durch Großraubtiere.
„Wenn wir wollen, dass die Almwirtschaft auch in zehn Jahren noch existiert und dass die für den Tourismus so wichtige Almenlandschaft erhalten bleibt, müssen wir heute handeln. Nicht mit Sonntagsreden, sondern mit konkreten Maßnahmen. Dazu gehört zum Beispiel auch die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel im Handel und in der Gastronomie. Denn nur wenn die Konsumenten wissen, unter welchen Bedingungen ihre Lebensmittel hergestellt werden, sind sie eher auch bereit, dafür einen entsprechenden Preis zu bezahlen“, appelliert Waldenberger.
Almwirtschaft braucht Schutz und Respekt – für Mensch, Tier und Landschaft
Die Almwirtschaft in Oberösterreich steht nicht nur unter dem Eindruck der Rückkehr des Wolfes, sondern auch vor der Herausforderung, das Miteinander von Mensch und Tier in sensiblen Naturräumen zu gestalten. Der OÖ Verein für Alm und Weide beobachtet die Entwicklungen auf den Almen genau – und sieht dringenden Handlungsbedarf.
„Die Offenhaltung der Almflächen ist für uns nicht nur eine Frage der Landwirtschaft, sondern eine Frage der Kulturpflege. Wenn die Almen verbuschen, verlieren wir nicht nur Weideflächen, sondern auch ein Stück Heimat“, betont Johann Feßl, Obmann des OÖ Vereins für Alm und Weide.
Die Wandersaison 2025 begann früh und dauert voraussichtlich bis in den Spätherbst. Herausfordernd war es heuer im Frühling, nach dem Schlechtwettereinbruch im letzten Herbst, das viele Schadholz aufzuarbeiten. Bei derartigen Situationen ist es wichtig, dass die Almbesucher mögliche Gefahren durch die Waldarbeit ernst nehmen. Die verregneten Wochen im Juli brachten Ruhe auf den Almen, aber auch Wasser für reichlichen Futterwuchs.
„Wir erwarten, dass der kommende Herbst wieder die Zeit zum Wandern auf Oberösterreichs Almen wird. Die Hüttenbewirtschafter freuen sich, mit einer g‘schmackigen Jause und bäuerlichen Mehlspeisen den Naturgenuss auch auf der Zunge bewusst machen zu können“, lädt Feßl dazu ein, den Wanderherbst auf den Almen zu genießen.
Achtsamer Umgang mit dem Weidevieh
Mit dem steigenden Besucheraufkommen wächst die Zahl der Begegnungen zwischen Wanderern und Weidevieh. Leider kam es in Österreich bereits zu mehreren Unfällen – oft ausgelöst durch Unwissenheit oder Unachtsamkeit.
„Rinder, Schafe und Pferde sind keine Kulisse, sondern Lebewesen mit natürlichen Reaktionen. Wer mit einem Hund unterwegs ist, muss wissen, dass Weidetiere diesen als Bedrohung wahrnehmen können“, warnt Feßl.
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Tiere neugierig werden oder sich Wanderern nähern. Ein Holzstock kann helfen, Distanz zu wahren. Die wichtigsten Verhaltensregeln sind unter www.sichere-almen.at abrufbar.
Initiative „In unserer Natur“ und Trainerschulung
Die Initiative „In unserer Natur“ ist ein Zusammenschluss von Landesregierungsressorts, Landwirtschaftskammer OÖ und alpinen Organisationen, die sich für ein respektvolles und sicheres Verhalten in der Natur einsetzen. Auf Anfrage des OÖ Alpenvereins organisiert das Ländliche Fortbildungsinstitut der Landwirtschaftskammer OÖ, LFI, am 3. September eine Trainerschulung zum Thema „Begegnung mit Weidevieh auf Almen und Wanderwegen“ auf der Puglalm in Rosenau am Hengstpass. „In diesem eintägigen Kurs wird den Teilnehmenden vermittelt, wie man sich bei einer Begegnung mit Weidevieh richtig verhält, nämlich ruhig, sicher und respektvoll. Wir setzen auf Information statt Konfrontation. Wer versteht, wie Tiere reagieren, kann Konflikte vermeiden“, so Feßl.
Anmeldungen sind unter ooe.lfi.at möglich.
Müll wieder mit ins Tal nehmen
Feßl verweist auf einen weiteren Aspekt, der den Almbewirtschaftern wichtig ist: Es gibt auf dem Berg keine Müllabfuhr, entsprechend wichtig ist es, dass die Besucherinnen und Besucher ihren Müll wieder mit ins Tal nehmen. „Die Verrottungszeiten sind extrem lang. Sogar ein Papiertaschentuch braucht bis zu fünf Jahre, um zersetzt zu werden, eine Plastikflasche bis zu 5.000 Jahre und es können auch Weichmacher in die Umwelt gelangen. Die meisten Wanderer nehmen zwar ihren Müll wieder mit, aber es bleibt genug liegen, dass regelmäßige Sammelaktionen und Kampagnen notwendig sind.
Wolf: Neue rechtliche Grundlage – aber Herausforderungen bleiben
Auch für den OÖ Verein für Alm und Weide steht fest: Die Almwirtschaft darf nicht der Wiederansiedlung von Großraubtieren geopfert werden. Die Erfahrungen aus Tirol, Kärnten und Salzburg zeigen, dass die Ausbreitung der Wolfspopulation bereits zur Aufgabe zahlreicher Almbetriebe geführt hat. Feßl betrachtet die Herabstufung des Schutzstatus‘ des Wolfes durch das Europäische Parlament als einen wichtigen Schritt, dem jetzt die praktische Umsetzung folgen muss.
„Besonders problematisch ist für uns die Forderung mancher Wolfsbefürworter, dass die Bäuerinnen und Bauern die Schutzmaßnahmen unabhängig von Machbarkeit oder Wirtschaftlichkeit umsetzen sollten. Eine wolfssichere Zäunung ist aufgrund der Geländegegebenheiten von gar nicht bis nur äußerst schwer machbar. Etwaige zusätzliche Kosten und notwendiger personeller Aufwand können nicht gedeckt werden. Die Anschaffung, Ausbildung und laufende Betreuung von Herdenschutzhunden ist teuer und zeitintensiv. Der günstige Erhaltungszustand des Wolfes ist nun in Europa erreicht. Ein staatenübergreifendes Monitoring würde dies belegen. Almen und Weiden sind auf Grund der natürlichen Topographie schwer zu schützen. Die OÖ Wolfmanagementverordnung stellt sicher, dass zur Abwendung von erheblichen Schäden an landwirtschaftlichen Nutztieren eingegriffen werden kann“, resümiert Feßl.
Almabtrieb als Zeichen gelebter Almwirtschaft
Am 27. September 2025 lädt die Weidegenossenschaft Molln ab 10 Uhr zum 12. öffentlichen Almabtrieb von der Brettmaisalm (neben der Grünburgerhütte) in Steinbach an der Steyr. Gegen 11.15 Uhr wird das Almvieh beim „Kremesbichler“ im Dorngraben beim Festzelt erwartet. Dieses Fest ist nicht nur ein kulturelles Highlight, sondern auch ein Symbol für die Bedeutung der Almwirtschaft.
„Der Almabtrieb zeigt, was unsere Almen leisten – für die Landwirtschaft, für die Natur und für die Gesellschaft. Die Alm ist kein Selbstläufer: Sie braucht Menschen, die gerne dort arbeiten und eine Gesellschaft, die ihren Wert erkennt“, sagt Feßl.
Einen Überblick über Oberösterreichs Almen verschafft die Homepage www.almanach-oberoesterreich.at. Dort werden nicht nur sämtliche Almen und Wanderrouten des Bundeslandes dargestellt, sondern man erfährt auch allerhand Wissenswertes über die Almen.
Die Homepage www.unsere-almen.at ist ein Portal für alle, die von und mit der Alm leben. Das Internet-Portal bietet spannende Einblicke in den Almalltag, die Bewirtschaftungsformen, Brauchtum, Geschichte, Tierwohl und Tiergesundheit. (Schluss)
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