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Wien, 28. August 2025 (aiz.info)

Wassernobelpreis für Günter Blöschl von der TU Wien

Hochwasserexperte erhält Stockholm Water Prize der Schwedischen Akademie der Wissenschaften

Als Prof. Günter Blöschl, Wissenschafter am Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie an der Technischen Universität Wien, erfuhr, dass er den weltweit wichtigsten Wasserpreis bekommen würde, war er – passenderweise – gerade am Wasser. Auf den Galapagos-Inseln nämlich, wo er als begeisterter Wassersportler Urlaub machte. Ausgezeichnet wurde er für seine jahrzehntelange Arbeit, insbesondere im Bereich Hochwasserforschung. Feierlich überreicht wurde der Stockholm Water Prize von König Carl XVI Gustaf von Schweden bei einer Festveranstaltung am 27. August 2025.

Österreichs Wasserminister gratuliert

„Ich gratuliere Prof. Günter Blöschl herzlich zur Verleihung des Stockholm Wasserpreises. Erst Ende Juni haben wir mit einer Ehrenauszeichnung des „Neptun Staatspreis für Wasser“ seine herausragenden Leistungen in der Hochwasserforschung gewürdigt. Mit dem Stockholm-Wasserpreis bekommt Herr Prof. Blöschl könnte man sagen, den „Nobelpreis für Wasser“, die international höchste Auszeichnung in der Wasserwirtschaft. Die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik ist entscheidend, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. Mit seiner Forschung liefert Prof. Blöschl dafür unverzichtbare Grundlagen, von denen wir in Österreich und weit darüber hinaus profitieren. Ich bin stolz darauf, einen der führenden Köpfe der Hochwasserforschung in unseren Reihen zu haben“, so Wasserminister Norbert Totschnig anlässlich dieser Auszeichnung in Stockholm.

Die Wiener Schule der Hydrologie

Günter Blöschls wissenschaftliches Erfolgsgeheimnis liegt in einem ganz besonderen Forschungsstil – in dem, was er als „Wiener Schule der Hydrologie“ bezeichnet: Er verbindet Themen, die anderswo getrennt voneinander betrachtet werden, er führt Techniken zusammen, die sonst von unterschiedlichen Gruppen angewendet werden, er vereint Disziplinen zu ganz neuen Forschungsfeldern.

Sein Weg zwischen den Disziplinen, zwischen theoretischer Forschung, Computermodellierung und praktischer Ingenieursarbeit, brachte ihm Erfolge ganz unterschiedlicher Art: Aufsehenerregende Publikationen in den angesehensten Wissenschaftsjournalen der Welt, hochdotierte Förderungen, zahlreiche Mitgliedschaften und Auszeichnungen – und nun den höchst renommierten „Stockholm Water Prize“.

Zwischen Natur- und Ingenieurswissenschaft

„In der Hydrologie gibt es zwei Gruppen“, erklärt Günter Blöschl. „Auf der einen Seite die wissenschaftliche Hydrologie. Da geht es um Geographie, um Geowissenschaften, um naturwissenschaftliche Modellierung. Und auf der anderen Seite die Ingenieurhydrologie – da geht es um konkrete technische Fragen, um Dämme, um Hochwasserschutz, um statistische Messungen des Wasserspiegels.“

Günter Blöschl ist davon überzeugt, dass man diese beiden Welten miteinander vereinen muss: Er ist Theoretiker und Praktiker in einem, sowohl Wissenschaftler als auch Ingenieur. In seinem Team wird gerechnet, simuliert und programmiert – und gleichzeitig arbeitet man mit Schaufeln und Eimern, um Durchflussmengen von Bächen zu messen und mit den Modellrechnungen zu vergleichen.

„In heutigen Lehrbüchern gibt es ein Kapitel über Grundwasser, und dann ein Kapitel über Verdunstung. Aber natürlich gehört das alles zusammen“, betont Blöschl. Er schlägt ein Lehrbuch auf, mit Diagrammen und Formeln: „Das ist alles wichtig – aber im ganzen Buch finden Sie kein Foto von Wasser. Der Praxisbezug fehlt.“ In Blöschls Büro finden sich Diagramme neben Bildern, Nature-Publikationen neben hydrologischen Gutachten, Messwerte neben Computercodes.

Prozessbasierte Hydrologie

„Ich würde das als prozessbasierte Ingenieurhydrologie bezeichnen“, sagt Blöschl. „Man muss Daten sammeln – aber um sie optimal nutzen zu können, müssen wir die dahinterliegenden Prozesse verstehen. Wir brauchen ein physikalisches Bild davon, wie die unterschiedlichen Prozesse der Hydrologie ineinandergreifen.“ Nur dann ist es möglich, Erkenntnisse zu gewinnen, die sich auch auf andere Situationen, andere Regionen, andere Gewässer übertragen lassen.

Auf diesen Weg brachte ihn sein Doktorvater Prof. Dieter Gutknecht, den Blöschl nicht nur als wissenschaftliches, sondern auch als didaktisches und menschliches Vorbild bezeichnet. Diese ganzheitliche, fächerverbindende Sichtweise der Hydrologie hat Günter Blöschl im Lauf der Jahre auch an fast 80 Absolventinnen und Absolventen weitergegeben, die diese „Wiener Schule der Hydrologie“ auch in andere Länder hinausgetragen haben.

Mensch und Natur

Dieser Drang, wissenschaftliche Grenzen zu überwinden, führte schließlich sogar zur Entwicklung einer neuen Disziplin – der Sozio-Hydrologie. „Normalerweise betrachtet man entweder die Natur in einer von Menschen unbeeinflussten Form, oder man analysiert konkrete menschliche Eingriffe wie Dammbauten“, sagt Blöschl. „Mit amerikanischen Kollegen diskutierte ich eines Tages darüber im Wiener Café Griensteidl, und wir kamen zu dem Schluss, dass man beides gemeinsam betrachten kann.“

Wasser und Mensch beeinflussen einander. Änderungen der Wasserkreisläufe zwingen den Menschen zu verändertem Verhalten, und menschliches Verhalten ändert die Wasserkreisläufe. „Man kann in den Formeln, die das Verhalten des Wassers beschreiben, direkt auch eine menschliche Komponente mit einbauen“, sagt Günter Blöschl. „Man kann in mathematischen Modellen Natur und Mensch als Einheit betrachten.“

So wurde, mit dem ersten Sozio-Hydrologie-Paper, das Blöschl im Jahr 2012 publizierte, ein neuer Zweig der Wasserforschung begründet, der sich seither kometenhaft entwickelte. Auf der ganzen Welt wird die Idee inzwischen aufgegriffen, Tausende Publikationen zur Sozio-Hydrologie sind erschienen, im Juli 2025 hielt Blöschl die Keynote bei der internationalen Sozio-Hydrologie-Konferenz in Tokio.

Der Stockholm Water Prize

Günter Blöschl wurde bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter ein ERC Advanced Grant des European Research Council und die Horton-Medaille der American Geophysical Union. Er ist Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Mitglied der US National Academy of Engineering (NAE) und war Senator der Helmholtz-Gemeinschaft für den Forschungsbereich „Erde und Umwelt“.

Der Stockholm Water Prize ist für ihn etwas ganz Besonderes, betont Blöschl – ein Höhepunkt in seiner Laufbahn. Der Preis wird seit 1991 jährlich vergeben – für herausragende Leistungen, die mit Wasser zu tun haben. Zu den Laureatinnen und Laureaten zählen nicht nur Persönlichkeiten aus der Wissenschaft, sondern auch Leute, die sich im Bereich NGOs und Politik besonders für Bereitstellung, Reinhaltung und Schutz des Wassers eingesetzt haben. (Schluss)
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