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Linz, 21. März 2025 (aiz.info)

Höhere EU-Düngemittelzölle und Freihandel mit Ukraine wirtschaftlich nicht tragbar

LK OÖ-Vollversammlung: Landwirtschaft nicht überproportional und einseitig belasten

Die Vollversammlung der Landwirtschaftskammer (LK) OÖ fordert die Bundesregierung mit allem Nachdruck auf, auf EU-Ebene im Zuge der Neuverhandlung der EU-Handelsregelungen mit der Ukraine konsequent für die Wiedereinführung wirtschaftlich tragbarer Zollkontingente einzutreten. „Die Bauernschaft bekennt sich zur notwendigen wirtschaftlichen Unterstützung der Ukraine. Diese kann aber keinesfalls überproportional und einseitig durch die Landwirtschaft getragen werden. Zudem kommen die wirtschaftlichen Vorteile des EU-Marktzuganges für die Ukraine großteils nicht bei den dortigen Bauernfamilien oder der ukrainischen Gesellschaft an, sondern landen zu einem erheblichen Teil bei international tätigen Agrarholdings. Die Landwirtschaftskammer fordert daher die Wiedereinführung von Zollkontingenten für sensible Sektoren auf Basis des vor Kriegsausbruch in Kraft gewesenen Assoziierungsabkommens“, erklärt LK OÖ-Vizepräsidentin Rosemarie Ferstl.
 
Nach dem Inkrafttreten des EU-Assoziierungsabkommens mit der Ukraine im Jahr 2016 mit austarierten Zollfreikontingenten bei sensiblen Produkten erfolgte nach dem Kriegsausbruch im Februar 2022 ab Juni 2022 zur wirtschaftlichen Unterstützung der Ukraine eine praktisch vollständige Handelsliberalisierung. Durch sogenannte „ATM autonome Handelsmaßnahmen“ wurden sämtliche Zölle und Kontingente für Importe in die EU ausgesetzt. Erst beim dritten ATM-Paket von Juni 2024 bis 5. Juni 2025 wurde für Produkte wie Eier, Geflügel, Zucker, Mais usw. auf Basis der durchschnittlichen Importe von Juli 2021 bis Dezember 2023 eine sogenannte Notbremse eingezogen.
 
So gab es bei Zucker vor Kriegsausbruch ein zollbegünstigtes Importkontingent von 20.000 Tonnen mit einem Zollsatz von 419 Euro je Tonne. Nach der vollständigen Handelsfreigabe lag die Importmenge bei Zucker aus der Ukraine im Jahr 2023 bereits bei 496.000 Tonnen. Mit der sogenannten „Notbremse“ wurde zuletzt eine zollfreie Importmenge von 262.600 Tonnen gewährt. Ähnlich dramatisch stellt sich die Entwicklung bei Weizen dar.
 
Galt vor Kriegsausbruch ein zollbegünstigtes Importkontingent von einer Million Tonnen Weizen mit einem Zollsatz von 95 Euro je Tonne, so wurden nach erfolgter vollständiger Handelsfreigabe im Jahr 2023 bereits 6,5 Millionen Tonnen Weizen zollfrei aus der Ukraine in die EU importiert. Beim aktuell laufenden ATM-Paket wurde für den Weizenimport aus der Ukraine keinerlei mengenmäßige Begrenzung eingezogen.
 
„Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass die Ukraine insbesondere den Anbau weniger transportintensiver Produkte wie Zuckerrübe oder Ölsaaten massiv ausgedehnt hat und trotz des Krieges durchaus wirtschaftlich wettbewerbsfähig ist. Die sich daraus ergebenden Lasten sind für die heimische Landwirtschaft so nicht mehr weiter tragbar“, erklärt Rosemarie Ferstl.
 
Zusätzliche EU-Düngemittelzölle wirtschaftlich nicht verkraftbar
 
Die EU-Landwirtschaft ist beim Bezug von Handelsdünger zu etwa 40 Prozent auf Importe aus Drittländern angewiesen. Bereits bisher gilt für Düngemittelimporte in die EU ein 6,5-prozentiger Antidumpingzoll. Die EU-Kommission hat nun im Jänner vorgeschlagen für N-Düngemittelimporte aus Russland und Weißrussland beginnend ab 1. Juli 2025 (40 bzw. 45 Euro je Tonne) einen schrittweise bis 1. Juli 2028 (315 bzw. 430 Euro je Tonne) ansteigenden Zusatzzoll einzuheben. Damit würde der Import von N-Düngemitteln aus diesen Ländern vollständig unterbunden. Mit dem Zusatzzoll soll ein wirtschaftlicher Ausgleich für die in diesen Ländern dramatisch günstigeren Gaspreise geschaffen werden. Kalidünger sollen von diesen Zusatzzöllen ausgenommen bleiben. Grundsätzlich ist die wirtschaftliche Absicherung der EU-Düngemittelindustrie auch für die heimische Landwirtschaft von zentraler Bedeutung. Zudem werden Importe aller Art aus Russland aufgrund der aktuellen Kriegssituation äußerst kritisch gesehen. „Die heimische Landwirtschaft kann die vorgeschlagenen Zusatzzölle gegen russische Düngemittelimporte wirtschaftlich keinesfalls alleine tragen, da die Bäuerinnen und Bauern beim Verkauf ihrer Produkte gerade im Pflanzenbau mit Weltmarktpreisen konkurrieren müssen“, betont Vizepräsidentin Ferstl. Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich am 14. März mehrheitlich für die Einführung der vorgeschlagenen Zusatzzölle ausgesprochen, ein Beschluss des EU-Parlaments dazu ist derzeit noch ausständig.
 
Die Vollversammlung der Landwirtschaftskammer OÖ fordert die Bundesregierung auf, für den Fall des definitiven Beschlusses der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Zusatzzölle für russische Düngemittelimporte gleichzeitig für direkt wirksame Ausgleichsmaßnahmen an die Landwirtschaft einzutreten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass mit der weiteren Erhöhung der CO2 Bepreisung und der Implementierung der Carbon Border Adjustment Mechanismen (Klimazölle) weitere preistreibende Effekte zu erwarten sind. Als erster Schritt müssen daher möglichst unmittelbar die aktuell geltenden Antidumping-Zölle für alle EU-Düngemittelimporte abgeschafft werden.
 
„Die Landwirtschaft bekennt sich grundsätzlich zu EU-Maßnahmen zur Stärkung der strategischen Autonomie. Es ist für Bäuerinnen und Bauern aber keinesfalls nachvollziehbar und wirtschaftlich machbar, wenn einerseits die EU-Düngemittelindustrie durch die Einführung von Zusatzzöllen geschützt und andererseits die heimische Landwirtschaft durch eine praktisch vollständige Marktöffnung zur Ukraine voll dem Wettbewerb mit internationalen Agrarkonzernen ausgeliefert wird“, erklärt Ferstl abschließend. (Schluss)
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