Karpfen: unterschätztes Potenzial
Süßwasserfische sind nachhaltige Alternative zu Meeresfischen, die oft von Überfischung bedroht sind
Der Karpfen hat ein Imageproblem. Sein Geschmack, seine speziellen Gräten oder die Wahrnehmung als Arme-Leute-Essen machen ihn nur selten zur ersten Wahl. Doch dieser heimische Friedfisch ist unterschätzt und das gleich in vielerlei Hinsicht. So überzeugt er aus ökologischer Sicht: „Verglichen mit Raubfischen wie Forelle und Lachs befinden sich Friedfische wie der Karpfen weiter unten in der Nahrungskette. Sie ernähren sich von Kleinstlebewesen wie Algen und Zooplankton – also Futter, das natürlich in Teichen vorkommt. Karpfen benötigen also kein Fischöl in ihrem Futter, das aus gefangenem Fisch gewonnenen wird und daher in der Kritik steht. Das macht die Zucht von Friedfischen nachhaltiger“, so Marlies Gruber.
Mit seinem hohen Eiweiß- und niedrigen Kaloriengehalt hat der Karpfen aber auch ernährungsphysiologisch Potenzial. Sein Gehalt an langkettigen Omega-3-Fettsäuren ist im Vergleich zu Meeresfisch jedoch geringer.
Die langkettigen Omega-3-Fettsäuren zählen zu den essenziellen Fettsäuren, die der Körper nicht selbst herstellen kann, und müssen über die Nahrung aufgenommen werden. Vor allem die Zufuhr von Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) haben positive Effekte auf die mentale und kardiovaskuläre Gesundheit. Die Versorgung mit diesen langkettigen Omega-3-Fettsäuren wird über die Konzentration in den roten Blutkörperchen festgestellt. Höhere Werte werden traditionell besonders in Ländern mit Meereszugang und einem hohen Fischkonsum festgestellt. Menschen in Norwegen, Grönland, Japan oder Alaska weisen mit über 8 Prozent die höchste EPA- und DHA-Konzentration im Blut auf.
Der Gehalt an langkettigen Omega-3-Fettsäuren ist aber nicht nur von der Menge, sondern auch von der Fischspezies und deren Gesamtfettgehalt abhängig. Fettreicher Fisch wie Lachs enthält mehr als fettarmer wie Karpfen. Im Vergleich mit gezüchtetem Lachs, der 1-1,5 g dieser Fettsäuren pro 100 g enthält, weisen Forelle oder Saibling aus heimischer Zucht ca. 0,3 g und gezüchteter Karpfen ca. 0,18 g pro 100 g Fischfleisch auf. Trotzdem wäre ein erhöhter Verzehr von heimischem Zuchtkarpfen eine Möglichkeit, den Bedarf an langkettigen Omega-3-Fettsäuren zu decken. In China etwa, wo vorwiegend karpfenartiger Fisch gegessen wird, liegen die EPA- bzw. DHA-Konzentration im Blut bei rund 4–6 Prozent, was mit europäischen Ländern mit Meerzugang vergleichbar ist (z. B. Deutschland, Frankreich und Spanien).
Zudem erforschen Wissenschaftler bereits, wie der Gehalt bei Karpfen und anderen Süßwasserfischen durch gezielte Gabe Omega-3-reicher Futtermittel in der Zeit vor der Schlachtreife oder Zuchtmethoden optimiert werden kann. Eine vielversprechende Variante könnte auch durch Fischselektion erfolgen. Dabei sind jene Fischarten zu bevorzugen, deren natürliche Lebensräume wie Seen oder Flüsse bereits eine hohe Anreicherung von Omega-3-Fettsäuren aufweisen. Durch Forschung und Selektion könnte demnach heimischer Speisefisch künftig noch nährstoffreicher werden, was ihn zu einer ökologisch nachhaltigen und gesundheitsrelevanten Alternative zu Meeresfisch machen würde. (Schluss)
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